Lehrer bald händeringend gesucht

Zahl der Studierenden sinkt, obwohl der Bedarf in den nächsten Jahren wieder steigt

FRANKFURT/MAIN ap ■ Nachdem jahrelang immer mehr junge Menschen ein Lehramtsstudium aufgenommen haben, gab es im vergangenen Jahr erstmals wieder einen leichten Rückgang um 6,2 Prozent. Was immer die Gründe dafür sein mögen – notwendig wäre er eigentlich nicht, denn schon bald dürften Lehrer wieder händeringend gesucht werden. Zwar bleiben die Schülerzahlen zunächst konstant, doch gehen etwa 300.000 der insgesamt rund 800.000 Schullehrer in den nächsten Jahren in den Ruhestand.

Die Kultusministerkonferenz und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) erwarten übereinstimmend einen steigenden Bedarf an Lehrkräften. Man brauche niemandem aus Mangel an Einstellungschancen abzuraten, diesen Beruf zu ergreifen, ist die stellvertretende GEW-Vorsitzende Marianne Demmer überzeugt. Dem widerspricht auch Angelika Hüfner nicht, die bei der Kultusministerkonferenz (KMK) Stellvertreterin des Generalsekretärs ist. Allerdings rät sie Interessenten, flexibler auf den Arbeitsmarkt zu reagieren. Denn der Bedarf ist von Land zu Land, von Schulform zu Schulform und erst recht von Fach zu Fach unterschiedlich.

So erscheint es nicht der Weisheit letzter Schluss, dass 60 Prozent der Studienanfänger, die sich im vergangenen Jahr für ein Lehrfach eingeschrieben haben, den Bereich Kultur und Sprachen gewählt haben. Denn die Nachfrage nach Bewerbern mit Fächern wie Mathematik und Naturwissenschaften wird mit Sicherheit sehr viel größer sein. Dafür aber hat sich noch nicht einmal ein Viertel der Erstsemester entschieden.

Der Vorsitzende des konservativen Deutschen Lehrerverbands, Josef Kraus, wirft den 16 Kultusministern vor, die Personalplanung schlicht verschlafen zu haben. Dabei gebe es doch dafür eine gute Datengrundlage. So seien die Schülerzahlen auf Jahre im Voraus berechenbar, „denn der Gymnasiast des Jahres 2015 ist ja heute schon geboren“. Und auch die Verteilung auf die einzelnen Schularten wie Hauptschule, Realschule und Gymnasium verändere sich in aller Regel nicht schlagartig.

Vizegeneralsekretärin Hüfner von der Kultusministerkonferenz räumt ein, dass es in der politischen Praxis Unterschiede zwischen dem pädagogisch Wünschenswerten und dem finanziell Durchsetzbaren gebe. Natürlich sei es sinnvoll, angesichts absehbar steigenden Bedarfs schon jetzt mehr Lehrer einzustellen. Die Finanzminister und dementsprechend auch meist die Parlamente gingen bei ihren Entscheidungen mit Blick auf die Haushaltslage aber oft nur von den Schülerzahlen des jeweiligen Schuljahrs aus.

Die stellvertretende GEW-Vorsitzende Demmer sieht auch gesellschaftliche Gründe für den leichten Rückgang. Schließlich sei der Lehrerberuf in der jüngeren Vergangenheit schlechtgeredet worden, so dass er an Ansehen eingebüßt habe. Auch seien in vielen Ländern die Arbeitsbedingungen für die Pädagogen verschlechtert worden, etwa mit der Erhöhung der Unterrichtsverpflichtung. Das habe sich ja gewiss auch bei den Schulabgängern herumgesprochen.

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