: Studien gegen Dreckschleudern
Greenpeace und WWF machen Druck auf RWE: Der Essener Energiekonzern setze unvermindert auf die Verstromung der klimaschädlichen Braunkohle statt auf Gas und erneuerbare Energieträger
VON JOHANNES SCHNEIDER
Bis 2010 will der Essener Stromerzeuger RWE seinen Kraftwerkspark erneuern. 30 Prozent weniger Kohlenstoffdioxid sollen dann aus der rheinischen Tiefebene in die Atmosphäre steigen. Kein Grund zum Lob für Greenpeace und World-Wildlife-Founf (WWF): Unabhängig voneinander veröffentlichten beide Umweltorganisationen jetzt Studien, die die Umweltverträglichkeit des Energiekonzerns in Frage stellen. Hauptkritikpunkt: Anstatt Alternativen zum Klimakiller Braunkohle stark zu machen, setze RWE auf Effizienzsteigerung in Kohlekraftwerken.
„Dass man uralte Dreckschleudern durch ein paar Modifikationen ein bisschen effizienter macht und das dann zum Klimaschutz erklärt, ist eigentlich ein Witz“, sagt Regine Günther, die Leiterin des Klimareferats beim WWF. Unter dem Namen „Dirty Thirty“ hat die Umweltorganisation vorgestern eine Rangliste der schmutzigsten Kraftwerke Europas herausgegeben. RWEs Braunkohleriesen Frimmersdorf, Weisweiler, Neurath und Niederaußem stürmten geschlossen die Top Ten (taz berichtete). Nicht weiter verwunderlich: Die Kraftwerke in Frimmersdorf (Platz 2) und Weisweiler (Platz 6) feiern in diesem Jahr 50. Geburtstag, die beiden anderen sind nur unwesentlich jünger.
Der Kraftwerkspark soll nun – mit Ausnahme von Weisweiler – durch die so genannten „Braunkohlekraftwerke mit optimierter Anlagetechnik“ (BoA) ersetzt werden. Statt einem Kilogramm CO2 (in Frimmersdorf sogar 1,27 Kg) werden dort nur noch bis zu 700 Gramm pro Kilowattstunde in die Luft geblasen. „Im Moment ist das natürlich eine Verbesserung“, sagt WWF-Frau Günther. „Aber: Wenn man ein Kraftwerk erst einmal hat, kann man nicht mehr viel dran rumschrauben.“ Vor diesem Hintergrund neue BoAs zu bauen, wie es in Niederaußem geschehen und in Neurath bei Düsseldorf geplant ist, sei das Gegenteil von visionär. 40 Jahre brauche ein Kraftwerk, um sich zu ammortisieren. Erst dann sei wieder eine Energiewende möglich.
Doch bei RWE ist Günthers Wunschalternative nicht so beliebt, sagt ein Konzernsprecher: „Die Braunkohle ist der einzige heimische Rohstoff. Sie macht uns unabhängig von internationalen Märkten. Gas- und Ölpreise steigen derzeit ins Unermessliche.“
Doch die Rohstoffpreise sind für Jonas Mey von Greenpeace kein Argument: „Langfristig brauchen wir auch kein Gas mehr. Die regenerativen Energien sind weiter, als viele denken. Was fehlt, ist ein großer Konzern, der für die Infrastruktur sorgt.“ Mey ist Herausgeber der Studie „2000 Megawatt -sauber!“, mit der sich Greenpeace direkt an die RWE richtet. Die Macher der Studie haben sich die Eckdaten des geplanten Neurather BoA-Doppelblocks genommen und versucht, innerhalb dieser Maßgabe ein Alternative zu entwickeln: 2,2 Milliarden Euro Investitionskosten, 16.000 Terrawattstunden Stromerzeugung im Jahr, vor allem aber zu jedem Zeitpunkt eine Leistung von 2.000 Watt, ohne Schwankungen waren gefordert. Für Mey ist das trotz der Wetterabhängigkeit regenerativer Energien kein Problem. Der Vorschlag von Greenpeace: Ein Netz dezentraler Energiequellen; Wind, Sonne, Wasser, Erdwärme, Biomasse und Gas sollen ihre jeweiligen Schwächen gegenseitig neutralisieren. Noch spielt auch in diesem „virtuellen Kraftwerk“ Gas zwar als Ersatzenergieträger eine wichtige Rolle, langfristig hält Mey auch komplett regenerative Lösungen für möglich.
So weit möchte RWE nicht gehen, aber immerhin sieht der Konzern in der Studie ein „sinnvolles Element zur Erweiterung des Energie-Mix“. Zudem fühlt man sich in Essen mehr bestätigt als angegriffen: Denn RWE kümmere sich bereits genau um die erwähnten Dinge, vornehmlich Geothermie und Offshore-Windparks. Zum genauen Umfang dieser regenerativenMaßnahmen schweigt der Konzern allerdings. Da gehe es um zu viele zu kleine Töpfe, heißt es.
Jonas Mey hat etwas andere Erfahrungen, die er am Beispiel der Offshore-Windparks belegt: „Ich kenne genug Leute, die bereit wären, in dortige Windkraftanlagen zu investieren. Doch RWE war leider nicht bereit, ein Seekabel zu verlegen.“