: Castor rollt über Leichen
Ausgerechnet am ersten Todestag des Demonstranten Sébastien Briat wird ein neuer Atommüll-Konvoi in Gorleben eintreffen, befürchten Kernkraftgegner – und ein offizielles Dementi bleibt aus
von Reimar Paul
Knapp ein Jahr ist es her, dass ein Castor-Transport den Demonstranten Sébastien Briat erfasst hat, am 7. November 2004 erlag er seinen Verletzungen. Ausgerechnet am ersten Todestag des französischen Atomkraft-Gegners, so befürchtet die Bürgerinitiative Umweltschutz, wird wohl ein weiterer Gefahrgut-Transport mit Brennstäben aus der französischen Plutoniumfabrik La Hague im Zwischenlager Gorleben eintreffen: Ebenso wie in Polizeikreisen wird auch bei den Anti-Akw-Aktivisten der neue Atommüll Anfang November im Wendland erwartet.
Am wahrscheinlichsten sei „ein Termin zwischen dem 6. und 16. November“, so Sprecher der BI Dieter Metk, zur taz. Das Bundesamt für Strahlenschutz hatte den neuerlichen Transport von zwölf Castorbehältern mit hochaktivem Müll im Sommer genehmigt – und dafür ein Zeitfenster von Oktober bis Dezember dieses Jahres geöffnet. Zu dem vermuteten Termin gab es offiziell bislang weder eine Bestätigung noch ein Dementi.
Allerdings gibt es zahlreiche Hinweise auf das von der BI angenommene Datum: So können derzeit im Raum Dannenberg bei der Polizei Passierscheine für den 7. und 8. November beantragt werden. Beschäftigten im Dannenberger Bahnhof sei außerdem der 8. November als voraussichtliches Ankunftsdatum des Castor-Konvois genannt worden, berichtet Metk. Gleichzeitig sei aus französischen Quellen ein detaillierter „Fahrplan“, der als Start des Konvois den Abend des 5. November vorsieht, bekannt geworden. „Es ist lange bekannt, dass am Todestag Gedenkveranstaltungen nahe der Bahnstrecken stattfinden werden“, so der BI-Sprecher. Durch diese Trauerfeiern Castorentransporte zu jagen sei ein kaum mehr zu überbietender Affront und Zeichen „unfassbarer Kaltschnäuzigkeit“.
Auch in den vergangenen Jahren waren die Atommüllzüge stets im November gestartet: Dann sind die Herbstferien vorbei. Und nach Einschätzung von Polizei und Politikern kommen nicht so viele Leute zum Demonstrieren, wenn die Tage grau und die Nächte nass, kalt und lang sind. Die genauen Transporttermine waren von den Atomgegnern stets präzise vorausgesagt worden.
Die so genannten Rücktransporte aus La Hague nach Gorleben sollen nach Angaben des Bundesamtes für Strahlenschutz im Jahr 2010 abgeschlossen sein. Rücktransporte aus der britischen Wiederaufarbeitungsanlage Sellafield seien für die Jahre 2010 bis 2016 geplant, so ein Sprecher der Behörde. Seit dem 1. Juli dieses Jahres darf kein Atommüll mehr von deutschen Kraftwerken zu den Wiederaufarbeitungsanlagen gebracht werden. Die abgebrannten Brennelemente sollen stattdessen so lange in standortnahen Zwischenlagern verwahrt werden, bis ein Endlager zur Verfügung steht.
Seit 1995 wurden in das Gorlebener Atommüll-Zwischenlager 56 Castor-Behälter eingelagert, der Platz würde für 420 reichen. Die Umweltschützer fürchten, dass mit jedem weiteren Transport die Wahrscheinlichkeit wächst, dass der Salzstock in Gorleben zum Endlager ausgebaut wird – wie der niedersächsische Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) fordert.