LeserInnenbriefe
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Uneinsichtig noch Jahre danach

betr.: „Die Einzige“, Nachruf auf Hildegard Hamm-Brücher, taz vom 10./11. 12. 16

Zu einer Beurteilung des Lebenswerkes von Frau Hamm-Brücher muss man sich in der ARD-Dokumentation „Das Mädchen – Was geschah mit Elisabeth K?“ ihre Stellungnahme zu ihrer Haltung als Staatssekretärin im Auswärtigen Amt im Fall von Frau Elisabeth Käsemann ansehen. Die in Argentinien lebende Deutsche wurde von der argentinischen Militärdiktatur gefoltert und ermordet. Hamm-Brüchers falsches – oder Nichthandeln kann man eventuell mit der damaligen politischen Lage erklären und teilweise entschuldigen, nicht jedoch ihre Uneinsichtigkeit und ihre Rechtfertigung Jahre danach. Evi Meisberger, Völklingen

Grundrauschen an Pestiziden

betr.: „Bio braucht neue Regeln“, taz vom 9. 12. 16

Ja, richtig. Aber Bio ist leider nicht schadstofffrei. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die EU-Kommission versucht, auf ihre Weise ihre Interessen im Streit durchzusetzen. Sie übte und übt Druck auf nationale Behörden und Kontrollstellen aus, dass jede noch so kleine Spur an Pestiziden in Ökoprodukten behördlich gemeldet und per Untersuchung durch die Ursprungskontrollstelle nachrecherchiert werden muss, mit allen Konsequenzen und Risiken für die Biobauern und Bioimporteure. Hierbei spielt es keine Rolle mehr, ob die Belastung unter der Bestimmungsgrenze oder unter dem weitenteils anerkannten Orientierungswert von 0,01 mg/kg liegt. Da wegen der globalen Umweltverschmutzung durch die Agroindustrie in der Praxis kaum noch eine Analyse ohne Spuren wegkommt, wird ein unglaublicher Fehldatenwust produziert zu entsprechenden Kosten, die woanders sinnvoller angelegt wären.

Wirklich besorgniserregend ist, dass in großen Teilen der USA, Kanadas und auch bei uns in den Balkanländern die Böden, Luft und Wasser ein dermaßen hohes Grundrauschen an Pestiziden (zum Beispiel wo Glyphosat die Bodenbearbeitung ersetzt) aufweisen, dass ein Bioanbau vorn vorneherein ausgeschlossen ist. Der Verbrauch dieser Chemikalien steigt weiter gegen die Vernunft. Ursula Stübner, Troisdorf

Wir brauchen die Stärke des Rechts

betr.: „Beim Sterben wegsehen“, taz vom 9. 12. 16

Bente Scheller beklagt die Brutalität des Krieges in Syrien. Ihr Glaube an die Wirksamkeit von Waffen ist dabei ungebrochen, obwohl die Übermacht der westlichen Militärtechnik in Afghanistan keinen Frieden schaffen konnte, in Libyen eine Katastrophe hinterlassen hat, in Somalia versagt hat. Und auch in Mossul wird es während der Vertreibung des Daesch nicht besser aussehen als jetzt in Aleppo – es sei denn, diese harten Terroristen sind menschlicher als die von den westlich orientierten Staaten unterstützten Rebellen in Ostaleppo und ziehen sich beizeiten zurück.

Bente Scheller wirft uns friedensbewegten Menschen ein „schlichtes Weltverständnis“ vor – und scheint doch zu meinen, wenn wir jetzt zu Tausenden vor der russischen Botschaft demonstrieren würden, würde die Regierung Putin plötzlich friedlich werden. Die wahre Verhärtung des russischen Regimes liegt wohl eher in der verstärkten Ost-West-Konfrontation, an der das westliche Agieren in der Ukraine wohl auch seinen Anteil hat.

Die Eskalation des Konflikts in Syrien zeigt gerade, dass immer mehr Waffen, die über Jahre hinweg nach Saudi-Arabien, Katar und in die Türkei exportiert worden sind, eben keinen Frieden gebracht haben, sondern zur Eskalation beigetragen haben.

Von einer Büroleiterin der Heinrich-Böll-Stiftung erwarte ich, dass sie Studien wie die von Maria J. Stephan und Erica Chenoweth, „Why Civil Resistance Works“, zur Kenntnis nimmt, die nachweisen, dass gewaltfreies Vorgehen gegen Unrecht eben doch effektiver ist. Ein gewaltfreier Kampf gegen Diktatoren lässt sich auch leichter mit dem Völkerrecht in Einklang bringen – und wir brauchen dringend eine Stärke des Rechts anstelle des Rechts des Stärkeren. Berthold Keunecke,Internationaler Versöhnungsbund, Herford

Das geht mir gegen den Strich

betr.: „Nein, Herr Biller, genug“, taz vom 9. 12. 16

Eigentlich gehöre ich zu der Kategorie Menschen, die eine Schublade nicht abgeschickter Leserbriefe hat. Diese ist ganz schön voll, bin ich doch mit Unterbrechung taz-Leser der ersten Tage.

Ich amüsiere mich auch häufig über empfindliche taz-Leser, deren Schamgefühl berührt und deren ach so unangreifbares moralisches Bewusstsein attackiert wurde. Und jetzt gehöre ich anscheinend selbst dazu. Irgendwie ging mir diese Kurznotiz zum Programmhinweis auf das Literarische Quartett riesig gegen den Strich: es sei „ein immer spannendes Format“ trotz Christine Westermanns „arg mangelhafter Intellektualität“ und wenn nicht gerade ein „Vollpfosten wie der Schriftsteller Thomas Glavinic aber gleich gar nichts zu sagen haben“. Ganz großes Kompliment an die überzeugende Intellektualität des taz-Mitarbeiters, der so viel zu sagen hat. Cornelius Ewering, Münster

Vertrauen in die Kinder

betr.: „Tigermütter und Wolfsrudel“, taz vom 10./11. 12. 16

Ein sehr gelungener Beitrag, der hoffentlich jungen Müttern und Vätern hilft, „locker zu bleiben“. Gleichzeitig wird das Geschäftemachen und Verunsichern durch Erziehungsratgeberliteratur entlarvt. Habt Vertrauen in die Kinder und in eure eigenen Fähigkeiten, nehmt euch Zeit, lasst das Belehren und geht viel in die Natur. Diethelm Krause-Hotopp, Destedt