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Archiv-Artikel

Präsident stürzen, Präsident stützen

DEMOS Mursi-Gegner protestieren auf dem Tahrir. Seine Anhänger sammeln sich vor der Universität

KAIRO taz | Der Nil trennt Kairo in zwei Welten. Am östlichen Ufer versammeln sich wie schon in den Tagen zuvor auf dem Tahrirplatz die Gegner des ägyptischen Präsidenten. „Das Volk will Mursis Sturz“, heißt es hier auf den Plakaten. Aber die Demonstranten auf dem Tahrir haben am Samstag auf dem westlichen Nilufer vor der Kairoer Universität massive Konkurrenz bekommen. „Das Volk stützt Mursi“ steht dort auf den Plakaten. Auch den noch am selben Abend vom Präsidenten angenommenen Verfassungsentwurf, über den am 15. Dezember per Volksentscheid bestimmt werden soll, unterstützen die dortigen Demonstranten.

Die Muslimbrüder und Salafisten haben wieder einmal ihre Mobilisierungsmacht unter Beweis gestellt, die bis in das letzte ägyptische Dorf reicht. Während auf dem Tahrir meist Menschen aus Kairo stehen, versammelt sich am anderen Ufer eine recht ländliche Masse. Aus allen Provinzen sind die gut hunderttausend Pro-Mursi-Demonstranten herbeigeschafft worden. Ihre Busse parken weiträumig entlang des Kairoer Zoos bis hin zu den großen Ausfallstraßen. Einige der Busse tragen die Aufschrift „Salafistische Mission“.

„Wir sind das Volk“

„Die auf dem Tahrir, die kämpfen nicht gegen Mursi, die kämpfen gegen unsere Religion“, ruft einer der Demonstranten aufgebracht. Amr Mustafa, ein anderer junger bärtiger Mitstreiter, erklärt, er sei gekommen, um zu zeigen, dass in einer Demokratie die Mehrheit bestimmt – und die sei für den Präsidenten und für den Verfassungsentwurf. „Ich stehe hier auch gegen die Diktatur der liberalen Minderheit“, sagt er. „Wir hier sind das Volk. Wir unterstützen Mursi und werden nicht klein beigeben“, meint eine vollverschleierte junge Frau dazu, die ihren Namen nicht nennen will.

Hochrangige Vertreter der Muslimbrüder lassen sich auf der Bühne nicht blicken. Hier treten vor allem bekannte salafistische Prediger auf, wie Jassir Burhami, Abdullah Badr, Mohammed Hassan und Abdel Moneim al-Schahat. Sie reden immer wieder von der angeblich größten Demonstration seit dem Sturz Mubaraks. Ganz offensichtlich ist es den Demonstranten wichtig zu zeigen, dass sie angeblich mehr sind als die Konkurrenz auf dem Tahrirplatz, wo zuletzt bis zu 300.000 Menschen protestiert hatten. Wiederholt werden Kameramänner lokaler und internationaler Fernsehsender zu höher gelegenen Orten geschickt, um „die wahre Größe des Protests festzuhalten“, wie einzelne Mursi-Anhänger betonen. Sie wollen ihre Muskeln zeigen, nachdem sie zuvor die Straße tagelang ihren Gegnern auf dem Tahrir überlassen hatten.

Anders als auf dem Tahrir, auf dem die Demonstranten Zelte aufgestellt hatten, leert sich am frühen Abend der Platz vor der Universität. Ein Großteil der Demonstranten muss sich auf den Weg zu den Bussen machen.

KARIM EL-GAWHARY