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Archiv-Artikel

„Lehrer interessieren nicht“

Die Kultusminister lassen den Pisatest für Lehrer nicht zu. Marianne Demmer von der GEW vermutet, dass die Bundesländer die internationalen Lernstudien satt haben

taz: Frau Demmer, haben die Kultusminister nicht Recht, sich der Lehrerstudie der OECD zu verweigern? Bildungsstudien gibt’s in Hülle und Fülle.

Marianne Demmer: Ja, nur hat hat sich bislang niemand für die Situation derer interessiert, die nach den Schülern die wichtigsten Akteure sind: die Lehrkräfte.

Es gab eine Lehrerstudie.

Das war nur eine Voruntersuchung. Experten reisten durchs Land und sondierten das Terrain. Erst die Studie, die jetzt blockiert wird, hätte die LehrerInnen per Interview und Fragebögen zu Wort kommen lassen.

Warum ist das so wichtig?

Weil wir endlich mit den Betroffenen reden und nicht immer nur über sie schimpfen sollten. Wir sind dabei, den Berufsstand der Pädagogen zugrunde zu richten. Jeder hat was zu kritisieren – aber niemand weiß wirklich, wieso die Profession weltweit im Niedergang ist.

Sie klingen enttäuscht!

Bin ich auch. Wir vergeben die einmalige Chance, die blinden Flecken unseres Wissens über Lehrer und über den pädagogischen Prozess im Klassenzimmer zu schließen. Es wäre ja auch für uns Lehrer sehr wichtig gewesen, eine kritische Selbsteinschätzung vorzunehmen. Über die Hälfte der LehrerInnen fühlt sich überlastet und ausgebrannt. Wir müssen herausfinden, warum das so ist.

Was bringt da der internationale Vergleich?

Er könnte uns zeigen, dass die Situation hierzulande kritisch ist, aber alles andere als einmalig. Überall auf der Welt verlieren Lehrer gegenüber anderen Berufen an Image – und an Zugang durch gute junge Leute. Das hat sicher mit der Konkurrenz in der Bezahlung zu tun. Über die Bedeutung anderer Faktoren wissen wir schlicht zu wenig. Jeder kann sich ausmalen, dass so genannte Wissensgesellschaften ohne Lehrer nicht funktionieren.

Warum lehnen die Kultusminister die Lehrerstudie dann ab? Ist sie zu teuer?

Ach was, insgesamt würden 130.000 Euro gebraucht, und die müssten nicht die Bundesländer bezahlen, sondern der Bund würde die Kosten übernehmen. Ich vermute, die Kultusminister sind die internationale Schelte leid. Die OECD geht ihnen auf die Nerven, weil sie ihnen ständig den Spiegel vorhält und sie mit bildungspolitisch weit entwickelten Ländern wie Kanada, Korea oder Finnland vergleicht. Das Nein zur Lehrerstudie könnte auch ein erster Schritt sein, sich generell aus internationalen Vergleichen zu verabschieden.

Niemand kann es wagen, sich aus den Weltvergleichen zurückzuziehen. Die Länder wollten doch da rein.

Das ist Geschichte. Mit dem Bundesländerranking, bei dem ein Land an die Weltspitze herankam, sehen sich die Kultusminister auf dem richtigen Weg. Der Pisa-Makel ist abgelegt, die zersplitterten Schulformen bleiben unangetastet. Manche denken nun offenbar: Wozu brauchen wir Pisa international noch?

Wieso tut sich die GEW nicht mit dem Bundesbildungsministerium zusammen – und macht auf eigene Faust bei der Lehrerstudie mit?

Die Kultusminister könnten das leider sofort blockieren. Sie entscheiden, ob LehrerInnen die Fragebögen ausfüllen dürfen.

Was ist Ihr Resumee?

Die Kultusminister interessiert nicht, was Lehrer denken.

INTERVIEW: CHRISTIAN FÜLLER