schurians runde welten
: Tipp-Kick: officially pimped

„Jetzt ist es an der Zeit, dass die Mannschaft ein Gesicht bekommt.“ (Oliver Kahn)

Meine Kindheit war der Geruch von Lederbällen und Sammelbildern. Vor ein paar Tagen lag ich fiebrig im Bett, und ohne es bestellt zu haben, brachte mir die Post das neue Panini-Bundesligasammelalbum zusammen mit einem Dutzend Bildpackungen, die ich alle sofort aufgerissen habe. Lukas Podolski war dabei und der Schalker Christian Poulsen, Teilansichten von Stadien, Vereinswappen, halbe Mannschaftsfotos. Ich war glücklich. Auch über den süßlichen Hauch von Klebstoff, der den Bildern immer noch anhaftet.

Dann blätterte ich durch die bunten Seiten und fragte mich etwas angewidert, ob Grafiker denken, Kinder von heute könnten Farben nur noch erkennen, wenn sie wie der Metallic-Lack eines getunten Mustangs aussehen, und sich bei Abbildungen langweilen, die nicht zumindest verwischt, gecrossed oder anderweitig mit Photoshop verschlimmbessert wurden? Noch schlimmer: Die Grafiker wissen es wirklich besser. Teenager mögen aufgemotzte Karren und Fahrräder und lebenslang haltende Verzierungen auf Armen und Beinen. Und sie werden dazu animiert von den Sendungen des amerikanischen Konzernfernsehens, die wie ‚Pimp My Ride‘ das Märchen vom hässlichen Entlein täglich neu erzählen und glauben machen wollen, dass mit genug Flachbildschirmen in Kopfstützen, obszönen Felgen und Air-Brush-Orgien ein anderes Leben möglich ist. Warum soll da nicht auch ein Traditionsfanartikel mit der Zeit gehen?

In der Mitte des Heftes angelangt, stieß ich dann auf die Werbung für das so genannte „Kick-O-Mania“ – ein Fußballspiel für Knaben, das aussieht, als wären wehrlose Tipp-Kick-Figuren in einen Hinterhalt gelockt worden und dann in die Hände der Fahrzeugaufmotzer von West-Coast-Costums gefallen. Aus den eleganten Spielfiguren mit dem Druckknopf auf dem Kopf sind nun 30 Zentimeter große Barbiepuppen geworden, die aussehen sollen wie Oliver Kahn oder Michael Ballack, nur etwas ungehobelter. Wenn man ihnen in ihren Plastikrücken drückt, bewegen sie ihr Schussbein und können vor einen grün-weißen Ball treten.

Dazu tragen sie offizielle Fanprodukte wie Vereinstrikots, Stutzen oder Fußballschuhe zu denen sich andere offizielle Ausstattungen gesellen werden – Ballacks Mobiltelefon, sein Laptop, Adiletten, Ferrari. Und weil Barbies Ken kürzlich verstarb, feiern wir in der Spielzeugabteilung bald Traumhochzeiten, dann die Geburt der Kinder, die schließlich mit Miniatur-Kick-O-Manias spielen, die mit mikroskopisch kleinen Kick-O-Manias spielen und im Puppenstubenfernsehen läuft natürlich MTV.