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Archiv-Artikel

Phantomregierung jagt die CDU

Die SPD macht einfach weiter: Aus der Opposition heraus gehen die ehemaligen Minister ihre Nachfolger hart an – und machen die CDU nervös: „Die Versager von gestern spucken große Töne“

AUS DÜSSELDORFANDREAS WYPUTTA

Auf die Arbeit der Opposition angesprochen explodiert Peter Biesenbach förmlich: „Die Versager von gestern spucken große Töne“, entfährt es dem parlamentarischen Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion. „Die Master of Desaster führen sich plötzlich als Retter des Landes auf“, ärgert sich der eigentlich als umgänglich geltende Rechtsanwalt. Besonders die große Oppositionspartei SPD sei „ausgeblutet“, mache sich „politisch lächerlich“, könne „nur noch holzen“.

Was Biesenbach ärgert: Nach dem Ende der Schonfrist von 100 Tagen gehen viele ehemalige SPD-Minister ihre Nachfolger von CDU und FDP hart an. „Entgegen alle parlamentarischen Gepflogenheiten“ fungiere etwa Axel Horstmann, Ex-Landesminister für Verkehr und Energie, als verkehrspolitischer Sprecher der SPD-Opposition, so Biesenbach zur taz. „Das zeigt doch, dass die SPD auch personell keine Alternativen zu bieten hat.“

Dabei ist Horstmann kein Einzelfall. Die ehemalige Wissenschaftsministerin Hannelore Kraft fungiert als SPD-Fraktionschefin – und kündigte schon nach wenigen Tagen in der Opposition an, sie werde CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers „keine einzige ruhige Minute lassen“. Auch Ex-Schulministerin Ute Schäfer betreut weiter den Schulbereich, und Ex-Europaminister Wolfram Kuschke schießt sich auf seinen CDU-Nachfolger Michael Breuer ein. Selbst der ehemalige Koalitionspartner kritisiert deshalb die Sozialdemokraten: Die brächen ein „ehernes Gesetz“, findet etwa Nordrhein-Westfalens ehemalige grüne Umweltministerin Bärbel Höhn. „Nicht unproblematisch“ sei die Personalauswahl der Sozialdemokraten, findet auch der Bochumer Politikwissenschaftler Uwe Andersen: „Ein Ex-Minister kennt das Ressort natürlich bestens, kann informelle Kontakte nutzen.“

Die neue Landesregierung regiert entsprechend nervös. So verlasse sich der christdemokratische Bau- und Verkehrsminister Oliver Wittke wie sein für das Innenressort zuständiger FDP-Kollege Ingo Wolf „offensichtlich nicht auf die Fachebene“, klagt SPD-Verkehrsexperte Horstmann bereits. „Stattdessen vermute ich, dass beide Minister durch politischen Stäbe beraten werden. Doch die sind natürlich schlecht informiert.“ Nur so lasse sich etwa das Kommunikationsdesaster um die Äußerung von Landesinnenminister Wolf erklären, der angekündigt hatte, bei langfristigen Sperrungen sei das Wenden auf der Autobahn künftig denkbar – und dutzende Autofahrer auf der A31 und der A59 zu Geisterfahrern machte. „Glauben Sie, irgendein Fachreferent würde seinem Minister eine solche Vorlage schreiben“, fragt Horstmann – und geht auf seinen Nachfolger Wittke los: „Wenn es in der Verkehrspolitik konkret wird, sehe ich nichts anderes als unsere Konzepte.“

Auch das Desaster um die Äußerung von Regierungschef Rüttgers, in NRW stünden über 1.000 Schulen wegen mangelnder Schülerzahlen zur Schließung an, scheint im mangelnden Vertrauen in die Beamten des Schulministeriums begründet. Zwar kolportiert die Staatskanzlei, Ulrich Wehrhöfer, Ex-Landesgeschäftsführer der nordrhein-westfälischen SPD und mittlerweile Beamter im Schulministerium, habe den Ministerpräsidenten mit falschen Zahlen versorgt. Doch Sozialdemokraten und Grüne halten dagegen: „Das war einer von Rüttgers‘ eigenen teuren tollen neuen Leuten.“

Dennoch gehen auch die Grünen auf Distanz zur SPD. „Keinesfalls“ werde sie als umweltpolitische Sprecherin der grünen Landtagsfraktion arbeiten, kündigte Bärbel Höhn schon unmittelbar nach der Wahlniederlage an – die ehemalige Landesumweltministerin geht nach Berlin, hat ihren Platz im Bundestag sicher. Doch auch Michael Vesper, grüner Ex-Minister für Bauen, Kultur und Sport, sieht sich als heutiger Stellvertreter von Landtagspräsidentin Regina van Dinther zu besonderer Neutralität verpflichtet. „Ich bin bewusst nicht in die Bereiche Bauen oder Kultur gegangen“, so Vesper zur taz. Sein Engagement als sportpolitischer Sprecher seiner Fraktion sei unproblematisch: „Der Sport ist doch kein Hauptfeld der politischen Auseinandersetzung im Landtag.“