: Jukebox
Die Unterschätzte
Schon seltsam, wer dieses Jahr alles in ausverkauften Hallen spielt. Wo doch angeblich das Eighties-Revival längst verblüht sein soll. Trotzdem finden all jene Helden dieser Zeit wieder ein Publikum. Von Billy Idol über A-ha bis zu Duran Duran bedienen sie alle nicht nur nostalgische Sehnsüchte, sondern auch das Bedürfnis nach deren ironischer Brechung. Was ihnen vielleicht volle Kassen und ein Augenzwinkern einbringt, aber keinen Respekt.
Kate Bush ist den umgekehrten Weg gegangen. Anstatt Hits wie „Babooshka“ oder „Running Up That Hill“ in jedes verfügbare Mikro zu kieksen, hielt die Waliserin einfach die Klappe.
Die britische Presse kürte sie unlängst zur „wichtigsten englischen Songwriterin“ des Jahrhunderts. Ohne Kate Bush keine Björk, keine Tori, keine Alanis, keine Sheryl. Die punkrockenden Futureheads verwandelten Kate Bushs glitzerndes „Cloudbusting“ in eine dreckige Rocknummer. Und für den Rapper André 3000 von Outcast ist sie „die am meisten unterschätzte Person“ dieses Planeten. „Sie war so abgefahren“, jubelt André 3000, „sie war immer ganz weit draußen – und ich war bei ihr!“
Das muss 1985 gewesen sein, als Kate Bush mit „Hounds Of Love“ ihr bisher reifstes Werk vorstellte. Neben einer ganzen Reihe von Hits glänzte sie hier mit anspruchsvollen Experimenten, die ihrer Zeit um mindestens 20 Jahre voraus waren und eine Tiefe ahnen lassen, die im Pop nur selten erreicht – oder angestrebt – wird. So ist darauf die komplette B-Seite eine in sich verwobene akustische Traum-Sequenz. Seit ihrer letzten Platte sind zwölf Jahre vergangen, an ihrem kommenden Doppelalbum „Aerials“ hat sie acht Jahre gearbeitet. Gibt es also bald ausverkaufte Hallen? Wohl kaum. Auf ihrer bisher letzten Tournee erklärte sie, dass sie das Rampenlicht künftig meiden werde. Sie hat sich dran gehalten, seit 1979.
Arno Frank