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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Peinliche Nachricht

■ betr.: „Gutachter fordert Rente mit 69 Jahren“, taz vom 4. 12. 12

Diese kleine Nachricht zu dem Ökonomischen Expertenerguss unter der Ägide des mittlerweile 72 Jahre alte Unruheständlers Wolfgang Clement und Vorstands der INSM (= Initiative neue soziale Marktwirtschaft) sollte eigentlich nicht so versteckt und klein erscheinen, so peinlich wie die Nachricht ist. Sie wäre fast einen Titelbildkommentar wert kombiniert mit der Frage an den heurigen Kanzlerkandidaten und seinen damaligen Amtsnachfolger Peer Steinbrück in NRW, was er von solchen wirtschaftswissenschaftlichen Verrechnungen der Biomasse Mensch hält. Für ihn würde das darin avisierte Rentenalter 69 gerade so passen, sollte er denn Kanzler werden.

Bleibt übrig, dass die SPD die weiter prägende Kraft für die biosoziale Produktion von Gesellschaftsstrukturen bleiben will.

EKKEHARD SCHRÖDER, Potsdam

Liberaler als in Bern

■ betr.: „Die alterslose Nervensäge“, „Das Alphabet nach Alice“,taz vom 3. 12. 12

Bravo! Endlich dürfen in einer Tageszeitung, die ich nicht als besonders frauenfreundlich bezeichnen möchte, zwei kluge Frauen über eine kluge Frau Gutes sagen! Alice Schwarzer ist nicht meine Großmutter, sondern eher meine jüngere Schwester. Als sie geboren wurde, war ich schon viereinhalb Jahre alt, und ich glaube, ich darf meine kleine Schwester bewundern für ihren Mut, ihre Kraft, sich unbeliebt zu machen für das, was ihr richtig scheint. Und manchmal versuche ich sie zu verteidigen, wenn ich es kann.

In der Schweiz hat eine Feministin etwa ihrer Generation die Häme, die Feminismus auf sich zieht, nicht überlebt: Iris von Roten. Dass ich selbst in Westdeutschland, in Frankfurt, das gefunden habe, was mir ermöglichte, Beruf und Familie miteinander zu vereinbaren: die Möglichkeit, einen Kinderladen zu gründen, eine gute Kindertagesstätte mit nicht autoritären Grundsätzen zu finden, was mir in der Schweiz mangels Geld und ohne Prominenz nicht möglich gewesen wäre, habe ich vielleicht auch der Tapferkeit Alice Schwarzers zu verdanken. Das Klima war liberaler als in Bern.

Die siegreichen Alliierten hatten nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs eine halbwegs freiheitliche Verfassung durchgesetzt, und anders als in der Schweiz hatte eine der Mütter des Grundgesetzes, Elisabeth Selbert, für den Satz gesorgt, dass nicht nur alle Menschen, sondern Frauen und Männer gleichberechtigt seien. War auch sie eine „Nervensäge“? Ein Zitat zum Schluss: „Eine gescheite Frau hat Millionen geborener Feinde: alle dummen Männer.“ (Marie v. Ebner-Eschenbach,1830–1916) MARIANNE V. GRAEVE, Frankfurt am Main

Interessantes Konzept

■ betr.: „Gut ist nicht mehr gut genug“, taz vom 3. 12. 12

Idee hinter der Einführung des G8 war doch, dass unsere jungen Leute international mithalten sollen, weil sie nun ein Jahr früher mit dem Studium anfangen können. Offenbar resultiert die Verkürzung der Gymnasialzeit nun aber in schlechteren Durchschnittsnoten, weil ja mehr Stoff in kürzerer Zeit reingepaukt werden muss. Durch die schlechtere Note ist es aber nun schwerer, direkt einen Studienplatz zu ergattern, was wiederum zu „Warteschleifen“ von bis zu wer weiß wie vielen Jahren führt. G8 führt also ultimativ nicht zu früherer Aufnahme des Studiums, sondern im Gegenteil? Interessantes Konzept, das. Was wurde denn da nun erreicht, außer vermehrter Klagen von SchülerInnen, Eltern und LehrerInnen ob der verstressten Schulzeit, in der, nebenbei bemerkt, offenbar auch kaum noch Zeit bleibt für Persönlichkeit bildende „Nebeneffekte“ der Schulzeit, die früher in Theater-AGs und dergleichen gewonnen wurden, die aber nun mangels Schülerbeteiligung („Keine Zeit, Stress, Abi naht“) nicht mehr zustande kommen? GABY WESTPHAL, Köln

„Das arme Kind“

■ betr.: „Fremdbetreuung nimmt weiter zu“, taz vom 4. 12. 12

Nein, liebe taz, „fremd“ werden die Kinder nicht betreut in deutschen Kitas und Kindergärten. Ich hoffe doch sehr, dass die Erzieher_innen zu den Kindern gute Beziehungen aufbauen, sodass sie „bekannt“ werden, am besten sogar geliebt sind. Der Gebrauch der Sprache ist hier wichtig: Kinder werden außerhäusig betreut. Wer von „Fremdbetreuung“ spricht, befördert nur das Bild, das konservative Betreuungsgeldverabschieder gerne transportiert haben: das arme Kind, das da woanders hinmuss, anstatt im trauten Heim bei Mutti zu bleiben. JÖRG RUPP, Malsch