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THEATER

TheaterEsther Slevogtbetrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

Es ist die Geschichte einer Abhängigkeit, die in der Katastrophe endet: Eine Sechzehnjährige versucht, der elterlichen Hölle durch Ehe zu entkommen, und heiratet einen deutlich älteren Pfandleiher. Doch sie kommt von einer Hölle in die nächste, der sie am Ende nur durch Selbstmord entfliehen kann. Mit einer Marien­ikone in der Hand stürzt sie sich aus dem Fenster. „Die Sanfte“ hat Fjodor M. Dostojewski seine Erzählung von 1876 überschrieben, und der große portugiesische Komponist Emmanuel Nunes hat den Stoff 2008 seinem Musiktheaterstück „La Douce“zugrunde gelegt. Nunes nimmt die Erzählung als Monolog des Ehemanns, der neben seiner toten Frau auf die Lieferung des Sarges wartet. Die junge Regisseurin Anna Bergmann hat diese abgründigen Szenen einer Ehe nun in der Werkstatt der Staatsoper inszeniert (Staatsoper im Schillertheater: „La Douce“, Premiere 19. 11., 20 Uhr).

Wenn die unbekannte tote Frau in Dostojewskis Erzählung etwas von der Frechheit Edeks gehabt hätte, wäre ihr Leben vielleicht anders verlaufen. Aber Edek gehört eben in eine andere Geschichte: in den Roman „Chuzpe“,der New Yorker Schriftstellerin Lilly Bret. „Chuzpe“ ist Jiddisch und heißt so etwas wie Mut, Dreistigkeit und Frechheit. Edek ist der Vater von Ruth, der er das Leben ziemlich schwer macht – aber weil wir es mit einer Komödie zu tun haben, geht die Geschichte auch gut aus. Im Theater am Kurfürstendamm kommt der Roman jetzt als Theater mit Ulrike Folkerts und Joachim Bliese in den Hauptrollen heraus: Ulrike Folkerts, die man sonst als Ludwigshafener Kommissarin Lena Odenthal kennt (Theater am Kurfürstendamm: „Chuzpe“, Premiere 23. 11., 20 Uhr).

Ja, und um Freiheit und Frechheit geht es auch im großen Geburtstagskonzert der Bolschewistischen Kurkapelle Schwarz-Rot,die am 20. November dreißig Jahre alt wird. Im großen Haus der Volksbühne wird dann der rote Teppich ausgerollt für Gäste wie Marion Brasch, Jakob Hein oder schauspielernde Sänger wie Jörg Pose und Daniel Hoevels und darüber hinaus zur massenhaften Bildung von Kurkapellen und tanzenden Einsatzorchestern aufgerufen. Moderator ist Jürgen Kuttner. (Volksbühne: „Kein Spaziergang ohne Tauben: Meine, Deine, Keine ­Freiheit“, 20. 11. 19: Uhr).

Wem das zu optimistisch ist, der muss in den Theaterdiscounter gehen, wo MS Schrittmacher den Abend „Heimatfront – Das Desaster lässt grüßen“präsentiert, der die Frage stellt, wie lange wir in der Komfortzone Europa die ausbeuterischen und kriegerischen Folgen unseres Lebensstils noch ignorieren können (19., 20., 22. & 23. 11., jeweils 20 Uhr).

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