LeserInnenbriefe
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Postfaktische „Realität“?

betr.: „An einem Sonntag um Viertel nach acht“,taz vom 12. 11. 16

Zuerst seitenweise Donald Trump und seine postfaktischen Äußerungen, danach wird der TV-„Tatort“ einem postfaktischen Realitätscheck unterzogen. Anfangs möglichst intellektuell, bis zum Schluss der Autor das Fazit zieht: „Der ganz erheblich üblichere Mord in Deutschland sieht eher so aus, dass ein Mann seiner Frau den Hals umdreht, weil er auf ihr ewiges Genöle keinen Bock mehr hat.“ Wo ist da bitteschön der Unterschied zu einem echten, postfaktischen Trump-Schenkelklopfer?

Sollte es sich nicht allmählich herumgesprochen haben, dass „der ganz erheblich üblichere Mord in Deutschland“ an Frauen verübt wird, die sich von ihrem Mann oder Partner trennen wollen (ganz legal, trotz seines ewigen Genöles) und von ihm dafür mit dem Tod „bestraft“ werden? Der Autor Klaus Raab sollte vielleicht mal die seinem ach so flotten Beitrag folgenden drei Seiten über 14-jährige Feministinnen und deren Wut lesen („Der geilste Gedanke der Welt“). Er hat ihnen deutlich gezeigt, dass es noch viel zu tun gibt und ein Ende der Wut noch lange nicht in Sicht ist.

Als ich 14 Jahre alt war, gab es noch keine taz, die sich die Gleichberechtigung auf die Fahnen geschrieben hat. Dass über 40 Jahre später in ebendieser taz immer noch solche Sätze gedruckt werden können, macht mich sehr müde. Der einzige bisherige Fortschritt ist dann nämlich, dass damals der Mann „seiner Alten“ den Hals umgedreht hätte. Ein bisschen wenig, Leute!

MARLIS MAEHRLE, Suderburg

Schwer in der Defensive

betr.: „Grünen-Parteitag. Zuhören heißt nicht zustimmen“,taz vom 14. 11. 16

Wer im Fernsehen genau hingesehen hat, konnte feststellen, dass es nicht alle bei Özdemirs Rede von den Sitzen gerissen hat. Mag man auch einräumen, dass Özdemir mal wieder eine Demonstration seiner Eloquenz gegeben hat, kann das aber nicht verstecken, dass der arme Mann schwer in der Defensive war und in Trump’scher Manier zum Gegenschlag ausholte, da ihm die böse Basis nicht so recht folgen wollte bei seinem egomanischen Versuch, sich an die Autoindustrie anzubiedern. Sauer war er deswegen nicht über die Feigheit der Partei (welch eleganter Spin!), sondern den Mangel an Folgsamkeit. Denn Özdemir ist doch selbst kein guter Zuhörer, sondern eher der Typ „vorweggehende Führungspersönlichkeit“. Da hätte er doch Verständnis haben können, dass sich die Partei von einem – in Anbetracht des Abgasskandals und der Ausführungen von Jürgen Resch – halbkriminellen Lügner, der Kritiker und Aufklärer wie die DUH mit Anwälten zeitweise zum Schweigen bringt, nicht unbedingt die schöne neue Autowelt erklären lassen will. Parteien, die der Autoindustrie hörig sind, gibt es nämlich schon genug, gell, Herr Kretschmann?

Herr Zetsche weigerte sich im Übrigen, mit Herrn Resch zu diskutieren, darum durfte nur der zahmere WWF auf die Bühne der Podiumsdiskussion. Das zeigt ja auch nicht gerade eine große Leidenschaft für den Dialog beim Autoboss.

Was lernen wir daraus: Glaub bloß nicht, die Basis sei Boss, wenn der Vorstand, besonders der liebe Cem, es sagt. Die Basis ist Boss, wenn sie sich die Macht nimmt, wie es ihr satzungsgemäß zusteht. Danke, liebe Grüne, für euren Verstand. Die Partei darf stolz auf sich sein. MICHAH WEISSINGER, Essen

Nicht geeignet

betr.: „Er ist nicht der Richtige“, taz vom 15. 11. 16

Lieber Martin Kaul, danke für den Kommentar zur Präsidentschaftskandidatur von Frank-Walter Steinmeier. Nein, er ist wahrlich nicht der Richtige. Er hat mit Gerhard Schröder Armut und sozialen Abstieg salonfähig gemacht und mit ihm zusammen viele sozialdemokratische Grundwerte begraben. Er bleibt ein „Diener“ des Systems mit übersichtlicher Souveränität. Zum Präsidenten nicht geeignet.

WOLFGANG SIEDLER, Langenhagen

Brauchen wir das?

betr.: „Union will Weise als Gauck-Nachfolger“, taz vom 9. 11. 16

Macht das Bellevue zum Kindergarten. Das politische Gezerre um einen neuen Bundespräsidenten hat schon den Hang zum Kindischen. Das Amt verkommt zusehends zum Spielplatz der regierenden Koalitionsparteien mit all ihren Begleiterscheinungen, wie Zank, Geschrei, Dummtun und Weglaufen. Da bleibt nur die ernsthafte Frage: Brauchen wir das?

Die Opposition sollte sich dieses Dilemmas konstruktiv annehmen und gleich das Amt infrage stellen und im Bellevue die Unterbringung eines Kindergartens fordern. Zum Nutzen der Allgemeinheit. RAIMON BRETE, Chemnitz

Kein unabhängiger Kandidat

betr.: „Große Koalition steht“, taz vom 15. 11. 16

Frank-Walter Steinmeier ist eine der Personen, die die Agenda 2010 mitgestaltet hatten, und es ist bezeichnend, dass er nun als Kandidat für das Bundespräsidentenamt gilt! Und in der gemeinsamen Ernennung durch CDU, CSU und SPD zeigt sich, wo die Reise hingehen soll nach der Bundestagswahl 2017!

Ich finde es sehr schade, dass es ein Kandidat aus der Parteienlandschaft ist und kein unabhängiger Kandidat, der von allen Bürgern getragen werden würde!

RENÉ OSSELMANN, Magdeburg