Politiker mit Geschmack: Keine Ahnung
Hamburger Soundtrack
von Nils Schuhmacher
Zum Musikgeschmack des designierten US-Präsidenten sagte der deutsche Jazzmusiker Till Brönner (14.11., Laeiszhalle) in einem Interview unlängst: „Trumps Musikgeschmack kenne ich nicht – aber man ist ja geneigt, schon irgendwelche Vorahnungen zu haben.“ Vorahnungen hin, Vermutungen her – beide blamieren sich regelmäßig an der komplexen Realität.
In einem Teil von ihr jedenfalls umgibt sich der Mann aus Queens, den wir in einem guten halben Jahr auch in dieser Stadt begrüßen dürfen, nicht mit Hillbilly-Sounds, sondern mit heißen Rocksongs aus der Feder von Queen, den Rolling Stones oder R.E.M. Das zumindest sind Bands, deren Musik auf seinen Wahlkampfauftritten gespielt wurde. Worauf weist das hin? Dass eine Kategorie wie „Geschmack“ bei jemandem wie Trump möglicherweise genauso gut greift, wie die Kategorie „Politik“. Also kaum.
Diese Erkenntnis führt uns aber nicht allein in irgendwelche von Rednecks bevölkerten Gebiete in den USA, sondern auch geradewegs nach Deutschland, wo die Empörung derzeit groß ist. Zum Beispiel zu uns ins schöne Hamburg. Hier war es ja bereits 2001 einem Politikdarsteller namens Schill („Ich höre alles Querbeet (sic!) von Salsa bis Verdi“) gelungen, zum Zweiten Bürgermeister aufzusteigen.
Oder nach Berlin. Die Stadt wurde 2013 dadurch bekannt, dass die CDU ihren Wahlerfolg mit einem Lied der Punkband Die Toten Hosen feierte und sich auf diese Weise von einem Trauma befreite. Oder nach Burgdorf. Dies war der Ort, in dem 1986 der Sohn des niedersächsischen Ministerpräsidenten besagte Band einlud, um dem Vater ein versifftes Haus und der Partei das Trauma zu bescheren. Geschmack? Nirgendwo zu sehen.
Und wie geht es jetzt weiter, auch politisch betrachtet? Zum Beispiel mit Peaches (25.11., Uebel & Gefährlich). Die Electroclash-Künstlerin stammt aus Kanada, dem Land, in das eine Reihe von US-Prominenten demnächst auswandern wollen. Oder mit Radical Face (19.11, ebenda). Der Mann hinter dem Projekt spielt ansonsten in einer Band namens Electric President. Und das wäre ja vielleicht auch mal eine gute Option.
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