: Arbeitsminister für Niedriglohn
Nordrhein-Westfalens CDU-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann will für schulschwache Jugendliche eine „dritte Säule“ der Ausbildung schaffen – und fördert Billigjobs, von denen niemand leben kann
AUS DÜSSELDORFANDREAS WYPUTTA
Bis zum kommenden Frühjahr will die neue Landesregierung eine so genannte „dritte Säule“ der Berufsausbildung schaffen. Unterhalb der akademischen und der dualen Ausbildung – also den klassischen Lehrstellen – sollen einfach strukturierte Tätigkeiten zu neuen Berufsbildern zusammengefasst werden. „Das kann etwa eine Ausbildung zum Altenpfleger, zur Altenpflegehelferin sein“, so CDU-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann gestern in Düsseldorf.
Wichtig sei, dass die neuen Qualifizierungen „nicht zur Sackgasse“ werden, betont der Minister. „Wer nach einem Jahr gezeigt hat, dass er für den Bereich Altenpflege geeignet ist, soll dann in weiteren zwei Jahren auch zum Altenpfleger ausgebildet werden können.“ Ein Gesamtkonzept der „dritten Säule“ will Laumann im Frühjahr nächsten Jahres vorstellen. Als ersten Baustein präsentierte der Minister stattdessen seine Idee eines „Werkstattjahres“: Jugendliche, die keinen Ausbildungsplatz gefunden haben und bis zum Alter von 18 nur zwei Mal wöchentlich die Berufsschule besuchen müssen, sollen so weiter qualifiziert werden. Derzeit sind in Nordrhein-Westfalen noch immer über 10.000 junge Leute ohne Lehrstelle.
„Unser Angebot richtet sich an 23.000 junge Menschen“, sagt Laumann. Sein Ministerium rechnet mit mindestens 10.000 Teilnehmern, für die 28 Millionen Euro zur Verfügung stehen: Zu den zwei Tagen Berufsschule sollen Fortbildungen, etwa in den Ausbildungszentren des Handwerks, und Betriebspraktika zählen. „Zur Zeit gehen viele Jugendliche doch nur in die Berufsschule und gammeln ansonsten rum“, formuliert Laumann gewohnt rustikal. Erstes Ziel der Landesregierung bleibe aber, den Jugendlichen über die Qualifizierungen möglichst doch noch eine reguläre Lehrstelle zu verschaffen, so Laumann.
Der Grund für die Vorsicht des Ministers: Mit der Schaffung einer gering qualifizierenden „dritten Säule“ droht die massive Ausweitung des nicht existenzsichernden Niedriglohnsektors. „Da muss man ganz genau hinsehen“, warnt Barbara Steffens, Arbeitsmarktexpertin der grünen Landtagsfraktion, bereits. „Von dem Gehalt einer Friseurin kann schon heute niemand leben. Die Schaffung des Berufsbilds einer Friseurgehilfin macht da keinen Sinn.“ Arbeitsminister Laumann hält die massive Ausweitung des Niedriglohnsektors dagegen für unvermeidbar: „Ich mache mir viele Gedanken, wo einfach strukturierte Arbeit herkommen kann.“ Der gelernte Maschinenschlosser, der auch Bundesvorsitzender der christlich-demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA) ist, denkt deshalb auch über dauerhafte Lohnsubventionen nach: „Langfristig helfen da Kombilohnmodelle.“
Ein falscher Ansatz, findet Norbert Wichmann, bildungspolitischer Sprecher des nordrhein-westfälischen DGB. „Kombilöhne sind Lohndrückerei“, sagt der Gewerkschafter. Wichmanns Befürchtung: Die Arbeitgeberseite werde mögliche Lohnsubventionen in ihre Kostenkalkulationen einberechnen – und die effektiv gezahlten Niedriglöhne noch weiter senken. Ziel aller Qualifizierungsbemühungen müsse „eine vollwertige Ausbildung“ bleiben: „Nur so haben Jugendliche eine Chance auf existenzsichernde Arbeit“ – schließlich nehme das Angebot an gering qualifizierten Tätigkeiten immer weiter ab. „Bereits heute prognostizieren Wissenschaftler der Bundesagentur für Arbeit einen massiven Fachkräftemangel ab 2012“, warnt Wichmann.
Bei der Einführung des Werkstattjahres kann sich Laumann aber auf die Unterstützung der Gewerkschaften verlassen. „Die neue Landesregierung übernimmt eine alte DGB-Forderung“, freut sich Bildungsexperte Wichmann. „Der Arbeitsminister geht mit seinem konkreten Programm über das hinaus, was wir seit Jahren fordern.“ Nötig sei eine möglichst gute Qualifizierung möglichst vieler Jugendlicher: „Ohne Berufsausbildung sind Jugendliche potenzielle Sozialhilfeempfänger.“ Laumann müsse deshalb den Druck auf die Arbeitgeberseite erhöhen. Nötig sei die Einführung einer Ausbildungsplatzabgabe für ausbildungsunwillige Betriebe, fordert Wichmann: „Leider ist diese Umlage derzeit politisch nicht durchsetzbar.“