: SSW will die Kleinstaaterei abschaffen
DEMOKRATIE Die Partei der Dänen und Friesen in Schleswig-Holstein fordert eine Reform, die aus 1.100 Gemeinden 170 macht und nennt recht gute Gründe. Die anderen Parteien können sich damit trotzdem nicht anfreunden
Schleswig-Holstein ist ein Flickenteppich: 1.100 Gemeinden drängeln sich zwischen Nord- und Ostsee. In 901 Orten leben weniger als 2.000 Menschen, einige Dörfer sind so klein, dass statt eines gewählten Gemeinderats alle Erwachsenen gemeinsam entscheiden. Kritiker wie der Landesrechnungshof lehnen diese Art der Kleinstaaterei als ineffektiv und teuer ab. Hinzu kämen Demokratiedefizite, bemängelt die Partei der Dänen und Friesen, der SSW, und hat am Dienstag ein Konzept vorgestellt, um aus 1.100 Kommunen 170 zu machen.
Warum kleine Gemeinden undemokratischer sein sollen als große, weiß SSW-Fraktionschef Lars Harms: „Bei der Wahl kann man nur Zettel falten“, weil es in vielen Dörfern nur eine gemeinsame Wählerliste gebe. In den Ämtern, der Verwaltungsebene zwischen Gemeinde und Kreis, werde mehr delegiert als gewählt, und Bürgerentscheide seien nicht zugelassen.
Harms will statt der Ämter Großgemeinden schaffen, wie es sie in Skandinavien oder in Niedersachsen gibt. In den Großgemeinden sollten mindestens 8.000 Menschen leben, das entspricht der heutigen Mindestgröße für Ämter. Die Dörfer dürften ihr Ortsschild und Beiräte behalten.
Die CDU sprach von „Zerstörung der gewachsenen Gemeindestruktur“ und für die FDP schoss der Vorschlag „über das Ziel hinaus“. Harms geht trotzdem davon aus, das Projekt nach der Landtagswahl 2017 anschieben zu können – wenn es zur Fortsetzung der Koalition mit SPD und Grünen reicht und beide Parteien mitziehen. Die SPD sei offen, strebe „eine Reform aber nicht an“, sagte Innenpolitikerin Beate Raudies.
Tatsächlich haben sich Kommunalreformen als zähes Geschäft erwiesen. Eine große Reform gab es in den 70er-Jahren. Der jüngste Versuch, die Zahl der Ämter zu reduzieren, begann mit freiwilligen Zusammenschlüssen, die mit „Hochzeitsprämien“ versüßt wurden. EST
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