: Zweifel am Missbrauch
CHARITÉ Das mutmaßliche Opfer soll 2008 zu Unrecht einen Sozialarbeiter des Missbrauchs beschuldigt haben. Zum angeblichen Übergriff eines Pflegers der Uniklinik hat die 16-Jährige noch nicht ausgesagt
Die Chancen auf eine Aufklärung des möglichen Missbrauchsfalles an der Berliner Charité sinken rapide. „Es wird nun sehr schwer, eine konkrete Straftat festzustellen“, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Michael Steltner, mit Blick auf die fehlenden Aussagen des 16-jährigen Mädchens. Das mutmaßliche Opfer war mehrfach zur Aussage geladen worden, aber nicht erschienen. Jetzt gebe es nur noch das Mittel der staatsanwaltschaftlichen Vernehmung, zu der ein Eingeladener erscheinen muss. Bei Jugendlichen oder Opfern einer Straftat werde jedoch sehr genau abgewogen, ob man dieses Mittel wähle. „Wir haben bisher alles getan, um an eine Aussage zu kommen“, sagte Steltner. Ob das Ermittlungsverfahren nun eingestellt werde, wollte er nicht sagen.
Auch an der Charité ist man zum Abwarten gezwungen. „Der Pfleger ist weiterhin vom Dienst suspendiert, die Kündigung wurde ja bereits eingeleitet“, sagte Charité-Sprecherin Manuela Zingl am Donnerstag. Der Personalrat hatte der Kündigung jedoch nicht zugestimmt, weswegen sie noch nicht ausgesprochen wurde. Auch die Versuche der Klinik, mit dem mutmaßlichen Opfer in Kontakt zu treten, scheiterten. „Auf den Brief, den wir bei der Familie in den Briefkasten warfen, kam keine Reaktion“, sagte Zingl. Laut Medienberichten hatte das Mädchen bereits einmal gegen einen Schul-Sozialarbeiter angeblich falsche Missbrauchsvorwürfe erhoben. Demnach hatte der Sozialarbeiter das Mädchen beim Schwänzen der Schule erwischt. Daraufhin habe sie ihn lautstark des sexuellen Missbrauchs bezichtigt. Sie habe später zugegeben, sich den Übergriff nur ausgedacht zu haben.
Der Pfleger, der den Vorwürfen widersprochen hatte, war suspendiert worden. Gegen ihn wurde Strafanzeige erstattet. Er soll bereits 2011, 2005 und 2009 wegen Übergriffen auffällig geworden sein, konkrete Anhaltspunkte dafür gibt es nicht. Der Verteidiger des 58-jährigen Pflegers, der im Verdacht steht, das Mädchen Mitte November in der Notaufnahme des Virchow-Klinikums missbraucht zu haben, hat bei der Staatsanwaltschaft Akteneinsicht genommen.
Nach den Missbrauchsvorwürfen und dem anschließenden Informationschaos an der Charité hatte in der vergangenen Woche ein externes Expertengremium mit der Aufklärungsarbeit begonnen. Die sechsköpfige Gruppe um die frühere Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) soll Kommunikationsfehler innerhalb der Uniklinik finden und Verbesserungsvorschläge machen. Wie lange das Gremium dafür brauchen wird, ist noch unklar. (dpa, dapd)