DANIEL BAX ÜBER DEN OFFENEN KONFLIKT ZWISCHEN MERKEL UND NETANJAHU
: So viel Dissonanz war nie

Macht Netanjahu seine Siedlungspläne wahr, ist die Zweistaatenlösung endgültig gestorben

Bislang schien Angela Merkels Geduld mit Benjamin Netanjahu schier unendlich zu sein. Doch mit seiner Ankündigung, 3.000 neue jüdische Wohnungen im Westjordanland bauen zu lassen, hat der israelische Premier offenen Streit provoziert. Die Kluft zwischen den beiden Staatschefs ließ sich bei der gemeinsamen Pressekonferenz nicht mehr mit diplomatischen Floskeln und eiskalt gespielter Harmonie übertünchen.

Es ist ja klar: Würde Netanjahu seine Ankündigung wahr machen, dann wäre eine Zweistaatenlösung gestorben. Man kann ihm allerdings nicht vorwerfen, dass er sich untreu geworden wäre: Schon im Vorfeld der UN-Abstimmung hatte er gedroht, die Palästinenser zu bestrafen, sollten sie nicht von ihrem Anliegen lassen, den Status eines UN-Beobachterstaats zu erreichen. Auch sonst hat der israelische Premier kaum Zweifel daran gelassen, dass er kein Interesse an einer Zweistaatenlösung hat – es ging ihm immer schon um eine Einstaatenlösung, ohne Rücksicht auf die Palästinenser. Wo die bleiben, ist ihm egal. Hauptsache, sie leisten keinen Widerstand, weder friedlich noch mit Gewalt.

Netanjahu hat in der rechten Siedlerbewegung großen Rückhalt, weil er ihre politischen Ziele teilt. Es ist erstaunlich, dass man in Berlin so lange gebraucht hat, um zu der Einsicht zu kommen, dass Netanjahu es mit seiner Groß-Israel-Politik ernst meint. So ernst wie damals Scharon, dessen einseitiger Befehl zum Rückzug aus Gaza ebenso wenig dazu diente, einer Zweistaatenlösung den Weg zu ebnen – sondern nur dazu, die Palästinenser besser in Schach zu halten.

Merkel hat die Sicherheit Israels zur „Staatsräson“ erklärt. Israels Sicherheit dient es nicht, wenn sich seine Regierung immer tiefer im Schützengraben eingräbt. Nur durch Kompromisse lässt sich langfristig eine friedliche Lösung erreichen. Die Palästinenser werden nicht ewig als Bürger zweiter Klasse leben wollen, wenn sich ihre arabischen Nachbarn allmählich aus ihrer Unterdrückung befreien.

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