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Archiv-Artikel

Schizophrenie und dichterische Mittel

SPRACHSPIELE Abenteuerliche Schriften: eine Werkschau zum Dichter und Navratil-Patienten Edmund Mach

Edmund Mach ist ein nahezu Unbekannter der deutschen Literatur, dabei ist die Wirkung seiner Texte alles andere als gering. Allerdings erschienen seine Gedichte und Kurzprosastücke, die in Anthologien und Abhandlungen veröffentlicht wurden, zumeist unter Pseudonym. Außerdem war dieser Autor mit einem Makel behaftet. Mach war schizophren. Mit dem Schreiben begann er auf Aufforderung seines Nervenarztes. Der gab ihm einen Titel vor, woraufhin Edmund Mach einen Text verfasste.

Der Nervenarzt war Leo Navratil, Leiter der Nervenheilanstalt Gugging bei Wien, die für ihr Künstlerhaus berühmt wurde. Navratil veröffentlichte die Texte Machs in mehreren Büchern, „Schizophrenie und Sprache“ lautete etwa ein Titel aus dem Jahr 1968. Diese Bücher fanden seinerzeit reißenden Absatz. Außer Mach brachte dieses Künstlerhaus noch das weitaus stärkere dichterische Talent Ernst Herbeck hervor. Die Maler, die in Gugging interniert waren, August Walla oder Oswald Tschirtner, sind heute weltberühmt.

Nun ist, herausgegeben vom Germanisten Uwe Schütte, der mit Mach bekannt war, unter dem Titel „Meine abenteuerlichen Schriften“ eine Werkschau erschienen. Navratil, der 2006 starb, überließ Schütte den Nachlass seines zehn Jahre vor ihm verstorbenen Patienten.

Die Biografie Machs ist für Schütte, der selbstverständlich keinen Zugang zur Krankenakte hatte, nur in Bruchstücken zu rekonstruieren. Was auch daran liegt, dass Mach gern falsche Auskünfte gab. Er sei jugendliches Mitglied der SS gewesen, behauptete der 1929 Geborene. Doch das ist nicht unbedingt glaubhaft, ist es doch auch ein Zeichen von Schizophrenie, seine Taten in jeder Hinsicht zu übertrieben. Mach kam aus einem einfachen Milieu, das Verhältnis zu seinen offensichtlich strengen Eltern war schwierig. Nachdem er das Studium der Geschichte und der englischen Sprache abbrechen musste, verdingte er sich mit einigem Erfolg als Tennislehrer. Dann sei es, so behauptete er, zu einem Vorfall mit einer minderjährigen Schülerin gekommen, die er vielleicht nur bedrängt, vielleicht sogar attackiert hatte; jedenfalls musste er auch diesen Beruf aufgeben. Er jobbte als Gelegenheitsarbeiter, war nach dem Tod seiner Eltern gezwungen, in einem Altersheim zu leben, bis er schließlich immer wieder nach Gugging eingewiesen wurde.

Fast ein Tennisstar

Machs Welt war klein, er hatte dort ein Bett in einem Mehrbettzimmer, liebte das Rauchen und Coca-Cola und glaubte, in den USA vielleicht doch zum Tennisstar aufsteigen zu können. Dass er ausgerechnet auf seiner ersten Reise in die USA starb, ist beinahe tragisch. Immerhin aber hatte er Texte veröffentlicht, Interviews gegeben und war zum Protagonisten von Dokumentarfilmen geworden – er empfand sich als kleine Berühmtheit.

Mach konnte seine Texte nicht wirklich mit Distanz betrachten, gleichwohl sind sie nicht einfach nur Dokumente, sondern besitzen eine ungestüme, manchmal auch feine Poesie. Er spielte gern mit Worten: „Wir bekamen jeder Wein / in einem gesafteten Glase.“ Und mit Images: „Hitler selbst war kein gewöhnlicher / Mensch er war ein bisschen / für sich emanzipiert / er förderte viel er war ein Trottel. / So war er gesund. / In den letzten Zeiten / war er mit Eva Braun / beisammen. / Er war eine Persönlichkeit / wie Steffi Graf.“ In einem Text über den Traum: „Der Traum begleitet den Schlaf / Für den Traum kann zahlen / auch wichs man / dann das Anstellen für den Traum / daß man es gut macht / gib Gott einen schönen Traum / bitte nimmt man ihn / und bedankt sich dafür“.

Das genaue Nachwort des Herausgebers hilft, die Anspielungen zu entschlüsseln und auch Dinge, die man als irritierend empfinden mag. Mach war beileibe nicht naiv, er wusste seine Leser zu bedienen – und zu täuschen. Man trifft in diesem Band auf einen selbstbewussten Dichter, der über seine schriftstellerischen Mittel verfügte, allerdings infolge von Erkrankung und Internierung – die Klagen über die Nervenheilanstalt sind bewegend – nicht mehr beurteilen konnte, wie sie wirken und warum. Dass sie aber wirken, dessen war sich Mach bewusst. In einem Text über „den Dichter“ schreibt er: „Manchmal schaut er auf die Uhr, manch- / mal setzt er ab, um seine Zeilen in / beschwingten Ton weiterarbeiten zu lassen.“

JÖRG SUNDERMEIER

Edmund Mach: „ Meine abenteuerlichen Schriften“. Herausgegeben von Uwe Schütte. Picus Verlag, Wien 2009, 190 Seiten, 19,90 Euro