BERNHARD PÖTTER RETTUNG DER WELT : Nieder mit der Gleichberechtigung!
Schön: Am Montag feiert der Rat für Nachhaltigkeit seine Jahreskonferenz. Weniger schön: Dem Rat ist Konsens wichtiger als Sicherung der Zukunft
1989 hat die Demokratie in Deutschland triumphiert. Zwanzig Jahre später hat sie es bei uns zuhause eher schwer. Wer drei Kinder hat und eine Frau, die mit wechselnden Mehrheiten regiert, kann sich nicht auf Abstimmungen verlassen. Zumindest bei der Wahl des Urlaubsziels, beim Speiseplan oder dem Internetzugang für Fünfjährige halte ich es mit Wladimir Putins gelenkter Demokratie. Hierarchien sind nützlich, und sie garantieren das Überleben.
Das ist eine Einsicht, die dem Rat für nachhaltige Entwicklung der Bundesregierung abgeht. Am Montag lädt er wieder zur alljährlichen Konferenz. Alle, die Rang und Namen und guten Willen haben, von Angela Merkel bis Klaus Töpfer, werden da sein und sagen, was wichtig und richtig ist. Nur eines nicht: Der Rat arbeitet auf falscher Geschäftsgrundlage. Ich meine nicht das Problem, dass beim Wort Nachhaltigkeit sofort die Hälfte der Zuhörer ins Koma fällt. Sondern die Definition des Begriffs: Nachhaltig sei es, liest man da, wenn „umweltpolitische Gesichtspunkte gleichberechtigt mit sozialen und wirtschaftlichen“ Ansprüchen berücksichtigt werden. Alles für die Gleichberechtigung – aber hier hat sie nichts zu suchen. Denn der Satz bedeutet, dass unsere Lebensgrundlagen gegen Wirtschaftswachstum und ein gutes Verhältnis zu Oma Trude aufzurechnen sind.
Das ist das Denken aus der Zeit, als es bei Umweltpolitik noch um den Feldhamster ging. „Was würden Sie wählen: sauberes Trinkwasser, die Lohnerhöhung oder die nette Nachbarschaft?“ ist keine zulässige Frage. Doch hier wird sie so gestellt und damit gleich wieder beantwortet: Alles ist gleich wichtig und nichts ist wirklich entscheidend. Und so sieht unsere Welt ja auch aus.
Es wäre ja schon ein Fortschritt, wenn Umweltbelange (oder sagen wir: die Sicherung der Zukunft) wenigstens gleichberechtigt wären. Wenn wie bei der Bankenkrise hunderte Milliarden Dollar lockergemacht würden, um Systemrelevantes wie Trinkwasser, Boden oder Atmosphäre zu sichern. Wenn im Koalitionsvertrag stünde, man werde nicht mehr Flächen ver- als entsiegeln. Oder wenn eine „Schuldenbremse“ für Raubbau an der Biosphäre ins Grundgesetz käme.
Aber wir brauchen noch viel mehr, nämlich Vorrang für die lebenserhaltenden Funktionen des Planeten Erde vor Fragen von Bequemlichkeit und Nettigkeit. Solange Wirtschaft, Soziales und Ökologisches irgendwie im Lot sind, ist für den Nachhaltigkeitsrat alles geregelt und er kann zum gemütlichen Teil des Programms übergehen. Dass es eine Vorfahrtregel für Ökobelange und ein Beschleunigungsgesetz à la Aufbau Ost für den Aufbau Öko bräuchte, wird am Buffet ungehört verhallen. Nur eins ist sicher: Die Tasche, in die wir alle uns lügen, ist aus fair gehandelter Öko-Baumwolle.
■ Der Autor ist freier Journalist und ein Fan der Gleichberechtigung. Foto: privat