FELIX LEE POLITIK VON UNTEN
: Zu viele Revolutionsparolen

Die Bildungsproteste zeigen: Lieber wenige zentrale Themen und viele Protestierende als umgekehrt

Manche Konflikte wird es wahrscheinlich immer geben. Auch beim jüngsten Bildungsstreik ist es unter den Protestierwilligen zu heftigen Reibereien gekommen in der Frage, wie weit denn die Forderungen reichen dürfen. Prangert man bloß die miserablen Studienbedingungen an oder den Sozialkahlschlag im Allgemeinen? Will man ein besseres Bildungssystem oder gleich den Kapitalismus abschaffen?

Und wer sich in diesen Tagen eine Studentendemo angeschaut hat, wird den Eindruck bestätigen können: Deren Protest unterscheiden sich ja gar nicht von anderen linken Demos. Es werden mehr Antifa-Fahnen geschwungen als Banner, die die Tücken der Bachelor-Reform geißeln. Und beim Grölen der Parole „Alles für Alle“ wurde das erste Wort bloß durch „Bildung“ ersetzt. Kein Wunder, dass sich ideologisch weniger Festgelegte im antikapitalistischen Szenejargon nicht wiederfinden.

Ich selbst gehöre der Unistreik-Generation 1997/98 an. Als AStA-Referent war ich auch einer derjenigen, die – kurz nachdem die Proteste entflammt waren – bereits dafür plädierten, nicht nur mehr Geld für Bibliotheken zu fordern, sondern Kürzungen bei der Bildung als Teil eines allgemeinen Sozialabbaus zu sehen. Kein Geld für Zahnersatz würde Arbeitslose genauso betreffen wie Studierende, lautete unser Argument. Und wir müssten uns schleunigst mit Sozialhilfeempfängern zusammenschließen.

Zu diesem Bündnis ist es nicht gekommen. Stattdessen wandten sich viele Protestierwillige sehr schnell von uns ab, weil sie tatsächlich nur für bessere Studienbedingungen auf die Straße gehen wollten. Überhaupt waren wir wenig erfolgreich. Wir konnten weder den damaligen neoliberalen Zeitgeist aufhalten noch die Studiengebühren, die ja dann tatsächlich kamen.

Den Streit zwischen Fundis und Realos würde ich heute gelassener sehen. Zwar bestreite ich nicht einen gewissen Zusammenhang zwischen dem Bologna-Prozess und dem allgemeinen Wettbewerbsfetischismus. Und doch halte ich es inzwischen für sinnvoller, den Protest zu fokussieren und nicht mit Revolutionsparolen zu überfrachten. Wem das nicht reicht, muss nicht verzagen. Die nächste Anti-Sozialabbau-Demo kommt bestimmt.

Der Autor ist taz-Redakteur für soziale Bewegungen Foto: W. Borrs