: Ein bisschen übertrieben
Wenn Moneybrother unbändige Spielfreude und Gefühle zeigt, klingt das gut, dreht aber zu sehr an der Dramaturgie-Schraube: Der Kuttner-Liebling spielte im Postbahnhof
Der Moneybrother, das ist Anders Werdin, begleitet von seiner Band „The Panthers“. In Schweden ist Moneybrother ein großer Star, schon die Debüt-CD „Blood Panic“ von 2003 brachte ihm den schwedischen Grammy ein.
Ohne Sarah Kuttner würde man den schwedischen Sänger hierzulande wohl kaum kennen, denn die Mittlerweile-MTV-Moderatorin machte Moneybrother zu ihrem Liebling, ließ ihn mehrmals in ihrer Sendung live auftreten und lud ihn im März zu ihrer Show „Kuttner on Ice“ in die Columbiahalle. Und die Moderatorin hat ja Recht: Moneybrother macht nicht nur tolle Songs, sondern auch musikalisch etwas Neues, Besonderes: Sein Stilmix aus Soulpop und Punk klingt klassisch, aber nicht rückwärts gewandt, seine Melodien intelligent, aber eingängig, die Streicher opulent, aber nicht aufdringlich.
In den Postbahnhof sind am Freitagabend viele junge Indie-Menschen gekommen. Sie sind von vornherein entschlossen, gemeinschaftlich voll abzugehen und die Band zu feiern – ein braves, ergebenes Vorhaben. Denn das Konzert ist ganz klar nicht der In-Termin des Tages, der Moneybrother-Hype von vor einem halben Jahr ist vorbei. Eine treue Fangemeinde scheint sich der Schwede aber doch erspielt zu haben – und dazu gehört tatsächlich weiterhin die vertraut unangenehme Stimme der Sarah Kuttner, die aus den ersten Reihen ein quengelndes „Moneybrother, I love you!“ tönen lässt.
Eine unbändige Spielfreude sowie die Lust an Faxen und Klamauk sind von jeher die Merkmale des Moneybrother; er hat sie zusammen mit seiner Band so weit verinnerlicht, dass die Ansage, heute „das beste Konzert aller Zeiten“ spielen zu wollen, fast schon nach Arbeitsethos klingt. Sowenig die Band sich als bloße Dienstleister um die Hauptperson des Sängers schart, so sehr verstehen sich die Akteure zusammen als Dienstleister am Unterhaltungswert. Und das machen sie nach massenhaft Live-Konzerten und einer weit gereisten Open-Air-Saison gut.
Der Schlagzeuger muss aus innerer Erregung immer wieder aufstehen und in die Luft trommeln, Saxofonist Gustav agiert wie eine Comicfigur, und Herr Moneybrother selbst rennt in den Gesangspausen zum Bühnenrand und hält ohne Mikrofon rasende, tonlose Reden ans Publikum. Die Songschlüsse werden stets ironisch-pompös hinausgezögert. Das funktioniert so: Zuerst wird ein Ende angetäuscht, das Publikum jubelt schon im Schlussapplaus, aber Halt! – die Musiker erheben den Zeigefinger, „Psst!“, es ist doch noch gar nicht vorbei! Die Menge muss sich beruhigen, dann hebt das Lied von neuem an, noch ein Refrain wird zelebriert, dann geht der Schlagzeuger auf die Becken und das Lied findet endlich zu seinem wohl verdienten Ende.
Diese raffinierte Songdramaturgie hat ihren Reiz, bei der vierten Anwendung in Folge wirkt das Procedere dann aber doch ein bisschen albern. Viele Stücke der aktuellen CD „To Die Alone“ werden vorgetragen, vertonte Schmerzensausbrüche wechseln sich mit schnelleren Stücken ab, inbrünstigste Falsettgesänge gehen in kehlige Stimmlagen über. Es ist doch immer wieder schön, wenn Männer singend Gefühle zeigen!
Niederschmetternde Verse werden herausgeschrien, das Leben und die Liebe tun weh, und Frauen bringen den Schmerz in die Welt: Mit der wunderschönen Anklage von „It’s Been Hurting All The Way With You Joanna“ endet das Konzert, das pathetische „Reconsider Me“ folgt als Zugabe. Ach, hätte er es doch bei dieser Zugabe belassen – man wäre glücklich nach Hause gegangen. Aber wie alle, die entweder echte Besessene sind oder echte Besessene darstellen, muss auch Moneybrother alles übertreiben: Erst nach drei Zugaben und einer triefenden Soulballade werden die mittlerweile leicht übersättigten Zuschauer entlassen.
CHRISTIANE RÖSINGER