Schweigeminute für Merkel

NRW-SPD verstummt nach Niederlage im Kanzlerpoker. Kein Kommentar zu Kanzlerin Merkel von Führung der Landespartei. Ex-Landessozialminister Hermann Heinemann: „Armes Deutschland“

VON KLAUS JANSEN
UND MARTIN TEIGELER

Kanzlerstarre in Düsseldorf – nach der gestrigen Einigung im Berliner Kanzlerstreit legten die NRW-Sozialdemokraten eine lange Schweigeminute ein. Auch Stunden nach der Grundsatzentscheidung für eine Bundeskanzlerin Angela Merkel konnte sich das NRW-SPD-Präsidium gestern nicht zu einer offiziellen Stellungnahme zur Personalie Merkel durchringen. Weder Landeschef Jochen Dieckmann noch Fraktionschefin Hannelore Kraft kommentierten den Kanzlerwechsel. Als einziger führender Landespolitiker bezog Ex-NRW-Energieminister Axel Horstmann Position. „Keiner in der NRW-SPD hat sich eine Kanzlerin Merkel gewünscht“, sagte der Ostwestfale der taz. Allerdings habe die SPD sicher stellen können, dass soziale Verantwortung in Berlin erhalten bleibe. „Kündigungsschutz und steuerfreie Nachtzuschläge bleiben bestehen. Jetzt muss man sehen, wie Jürgen Rüttgers mit Schwarz-Gelb in NRW damit klar kommt.“

Kanzler Schröder weg, Superminister Clement wohl auch – die Landes-SPD wusste gestern nicht, wie sie all diese Neuerungen so schnell bewerten sollte. Hinzu gesellen sich seit gestern noch wüstere Spekulation um NRW-Genossen in einem möglichen Kabinett Merkel. Peer Steinbrück neuer Arbeitsminister? Jochen Dieckmann als Eichel-Nachfolger im Finanzministerium? „Das sind Spekulationen“, sagte eine Parteisprecherin. „Wir werden mindestens zwei, vielleicht sogar drei Minister aus NRW stellen“, sagte Horstmann.

Ist die SPD nun im Machtpoker umgefallen? Oder doch der heimliche Sieger, der den inhaltlichen Kurs der neuen Regierung bestimmt? „Keine Freudenstürme“ habe die Vereinbarung mit der Union ausgelöst, sagte der SPD-Bundesvorstand und ehemalige Landeschef Harald Schartau. Optimistischer äußerte sich der Kölner Abgeordnete Karl Lauterbach: „Die SPD kann extrem zufrieden sein. Sie regiert weiter, und die CDU stellt kein einziges Schlüsselministerium.“ Für Lauterbach sind die wichtigsten Ressorts Arbeit, Gesundheit, Finanzen und Wirtschaft – denn hier stünden die nächsten Reformen an. Und da er den designierten CSU-Wirtschaftsminister Edmund Stoiber zum sozialen Lager zählt, hält er die „neoliberale Wende“ für gescheitert.

„Es war doch klar, dass man sich irgendwann einigen musste“, so Rolf Stöckel, SPD-Bundestagsabgeordneter aus Unna. Ob er im Bundestag bei der Kanzlerwahl für Angela Merkel stimmen werde, mache er von den Ergebnissen der jetzt beginnenden Koalitionsverhandlungen abhängig. In der Woche nach der Wahl hatte er auf die Frage, ob er Merkel wählen würde, noch so geantwortet: „Nein, weil ihr dazu die Fähigkeiten, die Glaubwürdigkeit und die Mehrheit der Koalition fehlt, für die sie im Wahlkampf gestanden hat. Der Wählerwille war hier ja auch eindeutig.“ Ex-Landessozialminister Hermann Heinemann kritisiert im taz-Interview die Personalie Merkel. „Armes Deutschland. Ich bin sicher, dass Frau Merkel das nicht kann“, so Heinemann. Der frühere Vorsitzende der SPD Westliches Westfalen hätte sich „einen anderen Personalvorschlag“ der CDU gewünscht.

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