Berliner Szenen: Am Mehringplatz
Geronimo
Am Mehringplatz wird nun auch schon ungefähr so lange gebaut, wie am BER. Die ersten Umbauten begannen 1993. Auf dem Sockel der Viktoria hatte mal ein paar Tage lang gestanden: „Hier verkauft Gerhard Schröder Heroin an kleine Kinder.“ Die Entfernung des lustigen Graffitis war wohl der Start der Mehringplatzrenovierung.
Die Gegend soll schöner werden. Es gibt anspruchsvolle Wandbemalungen, Blumenbeete sind in Arbeit, und vor der Kaiser’s-Filiale wurden gleich mehrere Boule-Plätze angelegt, die aber nie benutzt werden, außer an diesem Nachmittag von uns. Es ist ein bisschen eklig, dass die Hochhausbewohner uns beim Spielen zuschauen, aber auch nicht soo schlimm.
Die Sonne scheint und der amerikanische Freund findet es toll, dass die kleine Holzkugel, die man wirft, um die eigentlichen Boulekugeln möglichst nah von ihr zu positionieren, „Schweinchen“ genannt wird. Er denkt, Boule käme aus Italien, weshalb er mich an diesem Nachmittag „Geronimo“ nennt.
Ein kleines Mädchen umkreist uns eine Weile mit seinem roten Fahrrad und fragt dann schüchtern, ob sie auch mal werfen könnte. Sie ist erstaunt, dass die Kugel so schwer ist, wirft einmal und fährt dann weiter. Dann kommt ein junger Partytourist und fragt, was für ein Spiel wir spielen, wie das geht und ob er mitspielen könne.
Er ist dicht und schon ein bisschen drüber. Er wirft, als hätte er noch nie eine Boulekugel in der Hand gehabt. C. ist danach dran und sagt, das wär es und dass der andere nun verloren habe. Der Typ geht dann auch wieder. Leider verliere ich an diesem Nachmittag.
C. erzählt, er hätte sich eine Packung mit 20 Paar Strümpfen bei Karstadt gekauft. So hätte er für die nächsten Jahre Ruhe. Ich habe schon seit Jahren keine gleichen Strümpfe mehr.
Detlef Kuhlbrodt
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