Neue Angriffe destabilisieren Darfur

Erste Tote und Geiseln bei der afrikanischen Beobachtertruppe. Nach Regierungsarmee auch Rebellen wieder aktiver

BERLIN taz ■ In der westsudanesischen Kriegsregion Darfur nimmt die Instabilität erneut dramatisch zu. Nachdem am Samstag erstmals Angehörige der afrikanischen Beobachtertruppe „Amis“ in Darfur von mutmaßlichen Rebellen der größten Darfur-Rebellenbewegung SLA (Sudanesische Befreiungsarmee) getötet worden waren, gerieten am Sonntag erstmals Amis-Angehörige in Geiselhaft. Die rund 40 Geiseln, in Gewahrsam einer Splittergruppe der Darfur-Rebellenbewegung JEM (Bewegung für Gerechtigkeit und Gleichheit) kamen bis gestern allesamt wieder frei.

Die Angriffe der Rebellen - die schwersten auf die Beobachtertruppe der Afrikanischen Union seit ihrer Entsendung letztes Jahr - folgen auf eine Serie von Angriffen der Regierungstruppen und der mit ihnen verbündeten Janjaweed-Milizen in der zweiten Septemberhälfte. Bei einer Serie von Überfällen auf Zivilisten waren mindestens 44 Menschen in Darfur und 75 im Tschad getötet worden. In Reaktion hatten Rebellen eine Stadt im Süden Darfurs kurzzeitig besetzt. Der Leiter der AU-Truppe, General Baba Gana Kingibe, warf Sudans Regierung Anfang Oktober „koordinierte Offensivoperationen“ von Armee und Milizen in Darfur vor.

Damit wird deutlich, dass trotz der verminderten internationalen Aufmerksamkeit für den Krieg in Darfur die Situation bei weitem nicht besser ist als letztes Jahr. Noch immer sind rund 1,8 Millionen Menschen in der Region vertrieben und über 200.000 weitere leben als Flüchtlinge im Tschad. Den regelmäßigen monatlichen Lageberichten der UNO zufolge nimmt die Gewalt in neuester Zeit wieder stark zu - begünstigt von wachsendem Streit innerhalb der Rebellenbewegungen und dem Aufkommen unabhängiger Milizen. Die afrikanische Beobachtertruppe richtet gegen diese Zustände wenig aus, obwohl inzwischen 6.300 afrikanische Soldaten in Darfur stationiert sind.

Die Friedensgespräche zwischen Sudans Regierung und den Rebellen in Darfur, die Mitte September in Nigerias Hauptstadt Abuja begannen, kommen derweil nicht vom Fleck. Nachdem schon die Anreise der Teilnehmer mehrere Woche dauerte, herrschen seitdem Streitereien über die Tagesordnung vor. Es sind auch nicht alle tatsächlich existierenden Rebellenfraktionen in Abuja vertreten, obwohl die Führungen von SLA und JEM Mitte September vereinbart hatten, fortan bei Verhandlungen geeint aufzutreten.

Erschwerend kommt hinzu, dass auch im Osten Sudans an der Grenze zu Eritrea die Kämpfe zwischen Regierungstruppen und Rebellen jüngst zunehmen. Die dortigen Rebellen werden auch von der JEM aus Darfur unterstützt. Nach britischen Medienberichten hat Sudans Regierung inzwischen dreimal soviele Soldaten in Ostsudan stationiert wie in Darfur.D.J.