LeserInnenbriefe
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Bravo, Frau Hendricks!

betr.: „Nachhaltigkeit. Hendricks greift nach der Macht“,taz vom 9. 9. 16

Endlich! Bravo, Frau Hendricks! Die Benennung der vergesellschafteten Kosten von Konsumgütern ist überfällig. Weit mehr als der Slogan „Öko über alles“ wird mit dieser Nachhaltigkeits-Initiative der zerstörerische Kreislauf von „kaufen und gleich wegwerfen“ deutlich. Produkte, die niemand wirklich braucht ersetzen Lebenssinn und sinnvolle Produktivität. Verschwendung als Wirtschafts-Religion verursacht enorme Schäden, zur Finanzierung von Profiten für die kleine Clique der sehr Wohlhabenden.

In unserer „globalisierten“ Welt dürfen wir das Ruder nicht den Großkonzernen überlassen. Die Käufer haben ein berechtigtes Interesse Nachhaltigkeit einzufordern. Die Verschwendung von Energie und Rohstoffen erzeugt Krieg und Umweltzerstörung, die den Menschen hier und dort Ihre Heimat und Zukunft raubt. Vote for Hendricks! MICHA RABUSKE, Berlin

Sauber von A nach B

betr.: „Die Zukunft, die noch keiner will“, taz vom 10. 9. 16

Schade, die Diskussion um E-Autos könnte Anlass sein, über ein paar grundsätzliche Fragen zu den Themen Mobilität, Energie und Umwelt neu nachzudenken.

Ich fahre seit Februar 2014 ein E-Auto. Für meinen Weg zur Arbeit und zurück (insgesamt 40 km) benötigt der Wagen ca. 3 kW/h! Das ist so viel, wie andere für einen Gang im Wäschetrockner verbrauchen. Ich habe keinen Wäschetrockner.

Selbst wenn ich am Tag den Weg zweimal mache, klappt es, ohne aufzuladen. Aber warum? Wenn ich den Wagen nicht benötige, kann er laden – an jeder Steckdose! Er zieht ca 2,5 Kilowatt pro Stunde – so viel wie dein alter Staubsauger. Mehr ist auch nicht nötig. Seit zweieinhalb Jahren nutze ich den Wagen, bin mittlerweile 45.000 Kilometer damit gefahren. Fast nur Kurzstrecke, so wie wir alle zu 80 Prozent Kurzstrecke fahren! Zu Hause lade ich natürlich möglichst bei Sonnenschein von meiner PV-Anlage, dann fährt er zu 100 Prozent mit norddeutschem Sonnenstrom.

Nein, es ist kein Tesla, kein E-Smart oder Renault. Die verbrauchen alle ein Mehrfaches von meinem kleinen Elano. Ein Wagen, der hier in Friesland hergestellt wird, keine Ladesäulen benötigt und einfach nur tut, was er tun soll: seinen Fahrer sauber von A nach B bringen.

Wer scharf auf öffentliche Ladesäulen ist: Jede beliebige Straßenlaterne könnte mit einem regensicheren Schukostecker ausgerüstet werden. Das an 100 geeigneten Plätzen in jeder beliebigen Stadt – schon hätten wir Ladesäulen. Für die 300 Millionen Euro, die die Bundesregierung bereitstellen will, gibt es eine ganze Menge Steckdosen, und die Umrüstung unserer Straßenlaternen (oder anderer geeigneter öffentlicher Stromverbraucher) könnte das örtliche Handwerk übernehmen.

Aber: Kleine, wirklich sparsame Autos sind politisch nicht gewollt! Gut, auch der Fahrer oder die Fahrerin müsste umdenken – denn das Auto bietet nicht alles, was wir an modernem Standard gewohnt sind. Eine längere Reise zu machen, erfordert schon ein gewisses Maß an Abenteuerfreude und sorgt für ausreichend Erzählstoff für so manche Party. Das Hauptproblem sehe ich darin, dass die geneigte VerbraucherIn gar nicht von dieser Möglichkeit erfährt. Wenn über E-Autos gesprochen oder geschrieben wird, dann müssen es sofort die großen Karossen sein. Leergewicht 2.160 kg, plus Akku 460 kg: 2,62 t! (Angaben beziehen sich auf den Tesla S 85). Mein Elano wiegt leer 560 kg, der Akku 200, zusammen 0,76 t! Dieses sinnvolle, wirklich alternative Auto kennt natürlich kaum jemand. Und damit es so bleibt, ist es von der viel diskutierten Förderung (4.000 Euro) ausgeschlossen. Warum? Zu leicht, zu sparsam, nicht für unsere Energie- und Autokonzerne interessant. Aber vielleicht für die eine oder andere interessierte taz-LeserIn. CHRISTOPH DANE, Jade

Hohes Missbrauchsrisiko

betr.: „Die Zukunft, die noch keiner will“, taz vom 10. 9. 16

Der relative Erfolg von Elektroautos scheint, jedenfalls momentan, wesentlich auf Subventionen und eingeräumten Privilegien zu beruhen. Leider wird dieser Zusammenhang in dem Beitrag von Hannes Koch nicht kritisch hinterfragt, sondern sogar eher noch begrüßt. Subventionen dieser Art bergen ein außerordentlich hohes Risiko des Missbrauchs von Scheinblüten, Wirtschaftsblasen und Fehlsteuerungen.

Bestes Beispiel hierfür ist die Freigabe von Busspuren für E-Autos: Die Busse werden dadurch unpünktlich, Fahrgäste wechseln zum Auto. Angebotskürzungen sind die Folge, und wieder wandern Fahrgäste ab. Im Ergebnis wird der Energieverbrauch des gesamten städtischen Verkehrssystems steigen, die öffentlichen Haushalte werden neben den Subventionen für E-Autos auch die höheren Defizite des Busverkehrs zu tragen haben. Das Ganze ist weder ökologisch noch sozial noch wirtschaftlich sinnvoll. Daher müssen Busspuren auch künftig für private Pkw-Fahrten strikt tabu sein! Das Auto ist grundsätzlich kein Teil der Daseinsvorsorge, sondern muss sich ohne größere Subventionen am Markt durchsetzen können, ganz unabhängig vom Antrieb der Fahrzeuge. Freilich kann und muss der Staat den zulässigen Ausstoß von Schadstoffen strenger reglementieren. Dann hätten auch Autos mit alternativen Antrieben von sich aus bessere Chancen.

Nicht zuletzt muss immer wieder betont werden, dass die Elektromobilität schon seit Jahrzehnten Realität ist: nämlich auf der Schiene. Leider kommen hier viele sinnvolle Neu- und Ausbauprojekte – wenn überhaupt – nur im Schneckentempo voran.

HANSJÖRG BEYER, Berlin