Ein Angriff auf die Kultur?

SUHRKAMPKLAGEN Was aufs Spiel gesetzt wird

Ein Unternehmen geht unter, mussten wir gestern im Feuilleton lesen, oder geht vielleicht unter oder vielleicht geht es auch nicht unter. Eigentlich ein Fall für den Wirtschaftsteil, doch nun schlug das Feuilleton Großalarm! Warum?

Vorgestern hat das Berliner Landgericht erstinstanzlich verfügt, dass die Geschäftsführer des Suhrkamp Verlags unter Ulla Unseld-Berkéwicz abzuberufen seien. Zugleich läuft in Frankfurt ein Verfahren, in dem die Medienholding AG Winterthur, der Hans Barlach vorsitzt, die Auflösung des Unternehmens Suhrkamp beantragt hat. Der Hintergrund sind die sich über Jahre hinziehenden Streitigkeiten zwischen der Holding, die inzwischen 39 Prozent der Anteile besitzt, und der Unseld-Familienstiftung, die die restlichen Unternehmensanteile besitzt, und der wiederum Ulla Unseld-Berkéwicz vorsteht.

Das Feuilleton interessiert sich aber nicht für juristische Finessen, sondern für moralische Fragen – und zweifelsohne ist der Suhrkamp Verlag eines der wenigen Unternehmen, die hierzulande als Bildungsinstanz gelten. Gerade unter Ulla Unseld-Berkéwicz ist der Verlag in den vergangenen Jahren, nach vielen Querelen um ihre Person, wieder zu jener Instanz geworden. Jeder Angriff auf Suhrkamp gilt daher als Angriff auf unsere Kultur.

Doch mit moralischen Kategorien kommt man hier nicht weiter: Der Verlag ist nun mal ein Unternehmen und nur als solches wird das Gericht diesen auch ansehen. Und da beide Gesellschafter die Geschäftstätigkeit des Verlages durch ihre gegenseitigen Klagen beeinträchtigen, sind Arbeitsplätze, nicht nur im Lektorat, gefährdet. Zudem darf in Deutschland ein Eigentümer mit seinem Eigentum tun, was er will. Aber darf er zugleich das Werk des anderen Eigentümers zerstören?

Ulla Unseld-Berkéwicz mag ihren Konkurrenten Barlach allzu kaltschnäuzig behandeln. Doch Hans Barlach erweist sich in nahezu jeder öffentlichen Äußerung als verlegerisch inkompetent. Gestern berichtete das Branchenmagazin boersenblatt.net, dass er die Verleger von Piper, Kiepenheuer & Witsch und Rowohlt als potenzielle Nachfolger für Unseld-Berkéwicz ins Spiel gebracht habe. Diese werden nun ihren Finanziers versichern müssen, dass es keine Ablösungsgespräche gegeben habe. Das ist armselig.

Was also wird passieren? Schlimmstenfalls wird der Suhrkamp Verlag in zwei Teile zerschlagen, dessen einer vielleicht Suhrkamp, der andere Insel hieße. Dann müsste Barlach zeigen, was er kann. Das wäre offenkundig schlecht für diesen Teil des Verlags. JÖRG SUNDERMEIER