: Aufruhr im Stephaniviertel
Grundschule vor dem Stephanitor soll auslaufen, das lukrative Grundstück mit Weserblick verkauft werden. Schüler haben künftig weite Wege. Eltern sind wütend, Deputation entscheidet am Freitag
Bremen taz ■ „Das ist eine Unverschämtheit“, ruft eine Mutter, deren Kind die Grundschule am Stephanitor besucht: „Das ist alles schon längst beschlossene Sache!“ Mit diesen Worten stürmt die Frau aus der Sitzung des Beirats Mitte am Montagabend. Ihre Empörung gilt der Politik von Bildungssenator Willi Lemke (SPD) und seinem Schulstandortkonzept (siehe taz von gestern). Das Bildungsressort will seinen Geldmangel mit dem Verkauf lukrativer Schulgebäude beheben – die Grundschule am Stephanitor mit ihrer Lage direkt an der Weser steht auch auf der Liste. Am Freitag entscheidet die Bildungsdeputation über die Zukunft der Schule, die nach den jetzigen Pläne einfach auslaufen soll: Die bereits eingeschulten Kinder beenden hier ihre Grundschule, aber neue Klassen wird es nicht mehr geben.
Fortan werden Grundschüler aus dem Stephaniviertel an drei Ausweichschulen quer durch die Stadt geschickt: Die Schule an der Admiralstraße in Findorff, an der Melanchthonstraße in Walle sowie die Bürgermeister-Smidt-Schule an der Contrescarpe seien in einer zumutbaren Nähe, findet Willi Lemke.
Die von den Eltern favorisierte Lösung, die Grundschule fortan in der nahe gelegenen Schule Am Wandrahm unterzubringen, ist vom Tisch. Eigentlich war geplant, dass die Grundschule gemeinsam mit dem Alten Gymnasium (AG), den Zahntechnik-Berufsschülern und dem Schulpsychologischen Dienst im ehemaligen HfK-Gebäude Am Wandrahm untergebracht wird.
Das AG ist seit Beginn des Schuljahres bereits dort. Für die Grundschüler ist nun kein Platz mehr. AG-Schulleiterin Christa Sanders-Terhorst meint, dies sei vom pädagogischen Konzept her nicht akzeptabel. Die Akustik im Gebäude sei unerträglich, der Schulhof sowieso schon zu klein.
Die Eltern der Grundschule am Stephanitor sind empört. Ihre Kritik richtet sich vor allem an den eigenen Schulleiter. Harald Kölm, der gleichzeitig auch die Schule an der Melanchthonstraße leitet, habe sich nicht engagiert, so Elternsprecher Oliver Köhler. Für ihn ist klar: „Diese Schule ist Kölm ein Klotz am Bein.“ Der Schulleiter war gestern für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
Die Kritik der Eltern betrifft auch das Vorgehen des AG. Köhler: „Die haben sich schnell die Räume gesichert, wir wurden hingehalten.“ Sie befürchten, dass ein Auslaufen der Grundschule zu Lasten der Qualität des Unterrichts geht, da mit jeder abgehenden Klasse auch die Lehrer die Schule verlassen. Auch sei es nicht hinnehmbar, dass die Grundschüler aus dem Stephaniviertel über Straßen mit hohem Verkehrsaufkommen hinweg in anderen Stadtteilen zur Schule geschickt würden. Die ohnehin problematische Lage des Stephaniviertels werde zudem durch den Verlust der Schule weiter verschärft.
Der Bildungssenator stellte dem die desolate Finanzlage seines Ressorts gegenüber: Einnahmen in Höhe von drei Milliarden Euro, Ausgaben in Höhe von vier Milliarden Euro. Lemke muss von der Fläche aller 177 Schulen im Land Bremen zwölf Prozent einsparen. Das Gebäude am Stephanitor lässt sich gut veräußern, auch ist es mit nur 53 Schülern nicht ausgelastet.
Lemke verwies auf die Entwicklung des Stadtteils als künftiges Medien-Quartier mit Büros und Wohnraum, der überwiegend von gut verdienenden Singles genutzt werden soll. Dagegen steht der Rückgang der Schülerzahlen.
„Ich muss meinen Sparkurs weitertreiben“, so der Bildungssenator. Gleichzeitig versprach er den Eltern, dass alle jetzt eingeschulten Kinder die Grundschule ohne Unterrichtsausfall noch am alten Standort beschließen könnten. Das, so Elternsprecher Köhler, wolle man nun auch einfordern.
Tina Groll