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Archiv-Artikel

Die ganz legalen Haushaltstricks

Berlin gibt mal wieder mehr Geld aus als geplant. Doch auf dem Papier sieht das Defizit größer aus, als es tatsächlich ist. Das liegt am EU-Beihilferegime. Tatsächlich mehr Geld verschlang die S-Bahn

von RICHARD ROTHER

Berlin ist pleite. Und gibt mehr Geld aus als geplant. Im ersten Halbjahr 2005 hat der rot-rote Senat sogar Haushaltsüberschreitungen in Höhe von 1,3 Milliarden Euro zugelassen. Allerdings sei der größte Teil dieser über- und außerplanmäßigen Ausgaben – nämlich rund 1,1 Milliarden Euro – haushaltsneutral, betonte Finanzstaatssekretär Hubert Schulte gestern. Die restlichen außerplanmäßigen Ausgaben bewegten sich im üblichen Bereich, so Schulte.

Bei den mehr als 1,1 Milliarden Euro handelt es sich um eine Art Luftbuchung. Denn Berlin gibt jenes Geld, das es von der Landesbank erhält, unmittelbar an sie zurück. Damit solle eine Aushöhlung der Eigenkapitalbasis der Bank vermieden werden.

Hintergrund ist ein jahrelanger Streit zwischen der EU-Kommission und den deutschen Landesbanken. Dabei ging es um Wohnungsbauvermögen, die die Bundesländer in ihre Landesbanken einbrachten, die diese aber nur niedrig verzinsten.

Die zu niedrigen Zinsen wertete die EU als unerlaubte Beihilfe. Die Landesbank wurde zur Rückzahlung von mehr als 1,1 Milliarden Euro verpflichtet. In einer so genannten Neutralisierungsvereinbarung zwischen dem Land Berlin und der Landesbank wurde die vollständige Rückzahlung des Geldes geregelt. Der Senat begründete dies in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage des CDU-Haushaltsexperten Alexander Kaczmarek so: „Da auch bei Wiederzuführung des gesamten von der Landesbank zurückzufordernden Beihilfebetrages eine Kernkapitalquote von sechs Prozent nicht überschritten wurde, war dieser Betrag vollständig an die Landesbank zu überweisen.“ Die Bank müsse „wirtschaftlich überlebensfähig“ bleiben.

Die übrigen Haushaltsüberschreitungen für das erste Halbjahr 2005 beliefen sich auf 157 Millionen Euro, so Staatssekretär Schulte. Unter anderem hätten für die Schließung des Krankenhauses Moabit 31 Millionen Euro an Versorgungsleistungen gezahlt werden müssen. Die außerplanmäßigen Kosten für die S-Bahn beliefen sich auf 20 Millionen Euro. In Baumaßnahmen hätten 30 Millionen Euro mehr als vorgesehen investiert werden müssen. Dabei handele es sich auch um Mittel, die erst im Jahr 2005 fließen konnten, obwohl sie im Vorjahr eingeplant waren.

Die Kritik der Grünen aus der vergangenen Woche wies Schulte zurück. Der Grünen-Haushaltsexperte Oliver Schruoffeneger hatte dem Senat ein „Täuschen und Tricksen“ in der Haushaltspolitik vorgeworfen. Die auf 455 Millionen Euro gestiegenen außer- und überplanmäßigen Ausgaben des Jahres 2004 zeigten, dass Risiken und Ausstattungslücken etwa bei den Sozialleistungen und Erziehungshilfen der Bezirke ignoriert würden, so Schruoffeneger. Für 2005 müsse mit einem erneuten Anstieg dieser Ausgaben gerechnet werden.

Die außerplanmäßigen Ausgaben seien eine „Addition von Einzelfällen“, so Schulte. Allerdings wollte er eine ähnlich hohe Gesamtsumme auch für das laufende Jahr nicht ausschließen, weil zusätzliche Ausgaben der Bezirke noch hinzukämen. Unklar sei noch, welche Auswirkungen die Arbeitsmarktreform Hartz IV habe. Berlin kann noch nicht abschätzen, wie hoch die Kosten der Unterkunft für Arbeitslosengeld-II-Empfänger, die überwiegend die Kommunen tragen, tatsächlich sind. Den Bezirken sei aber zugesichert worden, so Schulte, dass alle Hartz-Ausgaben ausgeglichen würden.