BANALE WAHRHEIT: ALS KANZLERIN HAT MERKEL DIE RICHTLINIENKOMPETENZ : Gedemütigte rächen sich
Die Jungs pusten die Backen auf. Wenn Spitzenpolitiker so etwas tun, dann ist das ebenso verständlich wie bei anderen Leuten. Und wirkt genauso lächerlich. Die Hinweise von Franz Müntefering und Edmund Stoiber, dass Angela Merkel als Kanzlerin in einer großen Koalition keine einsamen Beschlüsse fassen kann, sind banal, überflüssig und wenig hilfreich.
Selbstverständlich muss ein Regierungschef oder eine Regierungschefin Rücksicht nehmen. Auf den Koalitionspartner, aber auch auf die eigene Fraktion und die eigene Partei. Wer oft auf die Richtlinienkompetenz pochen muss, wird nicht lange regieren. Bündnisse können bekanntlich zerbrechen, und auch Palastrevolutionen kommen gelegentlich vor.
Auf der anderen Seite aber gilt: Solange eine Regierung hält, gibt es nur eine Person, die an der Spitze steht und im Konfliktfall entscheidet. Es haben schon andere geglaubt, letztlich sei es egal, wer unter ihnen zum Kanzler gewählt würde. Sie alle – von Franz Josef Strauß bis Oskar Lafontaine – haben das als schmerzlichen Irrtum erkennen müssen. Stoiber und Müntefering werden das auch erfahren, da können sie sich jetzt noch so sehr an die Brust trommeln und ihre eigene ungeheure Bedeutung herausstreichen.
Inhaltlich ist die nur auf den ersten Blick überraschende Übereinstimmung zwischen den beiden Parteivorsitzenden ein weiteres Indiz dafür, dass zwischen SPD und CSU derzeit zarte Bande geknüpft werden, zu Lasten der CDU. Um das deutlich zu machen, bedarf es jedoch keiner kernigen Sprüche, sondern entsprechender Ergebnisse bei den Koalitionsverhandlungen. Gut möglich, dass die für Stoiber und Müntefering nun mühsamer werden als zunächst erwartet.
Öffentliche Demütigungen sind weder eine vertrauensbildende Maßnahme noch dazu angetan, ein entspanntes Klima für konstruktive Zusammenarbeit zu schaffen. Gedemütigte machen ihren Peinigern gern das Leben schwer, wenn sich eine Möglichkeit bietet. Merkel werden sich viele Möglichkeiten bieten. Sie verfügt nämlich tatsächlich über die Richtlinienkompetenz. Ob es Stoiber und Müntefering gefällt oder nicht. BETTINA GAUS