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Archiv-Artikel

Gesucht: Konkursverwalter

Sozialdemokratischer Stallgeruch oder Popularität? Lemke oder Böhrnsen? Per Mitgliederbefragung will die Bremer SPD den Nachfolgekandidaten für Bürgermeister Henning Scherf küren

von Friederike Gräff

Das Volk sollte kommen und es war gekommen. Es war in den eigens von der SPD Bremen angemieteten Bus gestiegen, es hatte sich zu Fuß oder per Rad in den AWD-Dome, ehemals Stadthalle genannt, aufgemacht, hatte selbst die Treppen besetzt, um die beiden Männer zu betrachten, die angetreten sind, den vor zwei Wochen zurückgetretenen Bürgermeister Henning Scherf zu beerben. Jens Böhrnsen, Fraktionschef der Bremer SPD und Bildungssenator Willi Lemke trugen beide eine rote Krawatte, aber abgesehen von dieser eher schlichten Symbolik, gaben sie sich doch recht unterschiedlich: Hier Böhrnsen als Vertreter der alten sozialdemokratischen Werte, der lang von Solidarität sprach und nicht vergaß, auf sein Arbeiter-Elternhaus zu verweisen und dort Lemke, als Senator ein bisschen staatstragender und von jener an US-amerikanische Politiker gemahnenden Jovialität erfüllt, die dem sorgengeplagten Schulhausmeister ein geschmeidiges „Du kennst mich. Ich komme jederzeit zu Euch“ sozusagen aus der Hüfte zudreht.

„Mitgestalten! Mitreden!“ so leuchtete es den über 500 Parteimitgliedern aufmunternd von den roten Stellwänden entgegen, denn die heute beginnende Mitgliederbefragung soll verhindern, dass dem in der Bevölkerung so populären Scherf ein wahlkampfuntauglicher Parteiarbeiter nachfolgt. Wobei Willi Lemke als williger Gast von Pressefototerminen zwar in der Bevölkerung ungleich bekannter ist als Böhrnsen, der ihm aber die Parteinähe voraus hat.

Lemke also „überwältigt“ von der Zahl der Genossinnen und Genossen, dankbar alle jenen, die seine Erfolge als Schulsenator mit-ermöglicht hätten. „Als Bürgermeister“, will er – sorgfältig den Indikativ wählend – Menschen in Arbeit bringen, die Jugend qualifizieren und den Haushalt konsolidieren. Lemke lobte, man habe nach dem PISA-Schock „ganz viel umgesteuert“ und da es sich um eine SPD-Veranstaltung handelte, meldete sich niemand zu Wort, der anmerkte, dass der Erfolg beim letzten Test darin bestand, mit mehr Punkten erneut Letzter zu werden. Überhaupt schien es, dass beide Kandidaten nur pflichtbewusst die fatale Finanzlage Bremens erwähnten (Lemke: „dramatische Schulden“; Böhrnsen: „existenzielle Krise“), um dann zur Tagesordnung überzugehen (Lemke: Erfolge im Bildungswesen; Böhrnsen: Solidarität).

Wer präsentiert sich schon gern als Mangel-Verwalter? Willi Lemke verwies lieber auf seine Vergangenheit als Werder Manager, mahnte einen kritischeren Umgang mit wirtschaftlichen Großprojekten an und pries eine Bildungsoffensive als Arbeitsplatzgarant. Man dankte ihm mit freundlichem, aber keineswegs euphorischem Beifall. Jens Böhrnsen hatte ihm an Zukunftsrezepten wenig hinzuzufügen und so blieb er mehr bei dem, was nicht zu tun sei: keine falschen Zugeständnisse an die CDU – Beifall– kein Beschimpfen des öffentlichen Dienstes – Beifall – keine Kürzungen auf Kosten der Schwächeren – Beifall. Würde nach Beifallsdichte gewählt, könnte sich die SPD die vier weiteren Diskussions-Veranstaltungen sparen. Und ginge es nach den Parteimitgliedern auch die Fragenrunden.

Denn während sich die von Böhrnsen benannten Schwachen der Gesellschaft zu Wort meldeten, strebte die Mehrheit der Zuhörer zur Wahlurne im Nachbarraum. Schade eigentlich, denn nachdem die Personalratsvorsitzenden der Hausmeister und Raumpflegerinnen die Kandidaten mäßig erfolgreich um ein Bekenntnis zu ihrer Sache, die allerdings nicht recht klar wurde, gedrängt hatten, gingen die beiden noch ein wenig aufeinander los. Böhrnsen monierte mangelnde Unterstützung der SPD-Senatsmitglieder bei Landesparteitagsbeschlüssen wie der geforderten Tarifübernahme, was Lemke quittierte mit: „Ich habe mich gewundert, wie du das beschließen kannst, wenn du weißt, dass es keine Chance gibt, es umzusetzen“. Aber solche Feinheiten hörte die Mehrheit schon nicht mehr. Nach dem Landesparteitag am 19. Oktober werden sie wissen, wer die Bremische Konkursmasse in die Zukunft führt.