: Sonne ernten vom Dach
AUS PETERSAURACH JOHANNES GERNERT UND PETER ROGGENTHIN (FOTOS)
Man soll, bitte schön, keinen falschen Eindruck bekommen. Dieter Segets hat im September nicht die Grünen gewählt. Auch wenn die Sache mit der Solaranlage seine Idee war und die seiner Frau. Es seien keine ideologischen Gründe gewesen, sagt Segets, eher finanzielle. „Wegen der staatlichen Subventionen trägt sich des von alleine.“ Deshalb haben sie sich vor vier Jahren die Solarzellen auf dem Dach ihrer Maschinenhalle in Petersaurach bei Nürnberg installieren lassen: der Bauer Segets, der Bauer Hauenstein, der Bauer Fuchs und der Bauer Weißmann. Aus dem Bauern Segets ist mittlerweile der Getränkehändler Segets geworden. Aber seinen Anteil an der Halle hat er noch immer.
Dieter Segets steht im ehemaligen Kuhstall, hinter ihm stapeln sich die Wasserkästen. Manchmal nimmt er das Basecap ab und streicht sich mit der flachen Hand über seine Glatze. Es haben viele über sie gelacht damals. „Die glauben, die bringen des Geld vom Dach nunner“, haben sie gesagt. Dann haben sie gesehen, dass da wirklich Geld vom Dach runterkommt. Es fließt von den silbrig schimmernden Platten in den Verteilerkasten neben dem Pflug unten in der Halle, von da aus ins Stromnetz und weiter auf die Konten der Landwirte, einmal im Jahr – als Einspeisevergütung vom örtlichen Energieversorger. Nach und nach haben immer mehr mittelfränkische Bauern Photovoltaikanlagen auf ihre Ställe und Hallen schrauben lassen. Als das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) novelliert wurde und es noch mehr Geld für die Kilowattstunde Sonnenstrom gab, ging es im vergangenen Jahr richtig los. Längst berichtet das Bayerische Landwirtschaftliche Wochenblatt, das Organ des Bauernverbands, über die Nutzung von Solarenergie. „Extra-Ernte vom Scheunendach“ versprechen die Anzeigen der Elektrofirmen in der neuesten Ausgabe. Als der bayerische Solarmarkt vor vier Jahren ganz langsam zu wachsen anfing, kamen viele Landwirte nach Petersaurach, um die Anlage am Ortsrand anzusehen. Es war die größte in Mittelfranken. Sie ist es längst nicht mehr.
Ironie einer rot-grünen Idee
Es ist schon eine Ironie der jüngsten deutschen Geschichte, dass diese eine umweltpolitische Maßname der rot-grünen Bundesregierung ausgerechnet im schwärzesten aller Bundesländer so nachhaltig fruchtet, ausgerechnet bei den bayerischen Bauern, die mit SPD und Grünen in ihrer überwiegenden Mehrzahl nun weiß Gott nichts zu schaffen haben wollen. Noch ein bisschen seltsamer ist es, dass die CSU, die Partei der bayerischen Landwirte, gemeinsam mit der großen Schwester CDU in ihrem Wahlprogramm gefordert hatte, genau diese finanzielle Förderung zu überdenken, als sich aus den Sonnensubventionen in bayerischen Regionen wie Mittelfranken ein florierender Wirtschaftszweig entwickelte.
„Wenn die das EEG abschaffen oder wesentlich verschlechtern, dann bin ich raus aus der CSU, definitiv“, sagt deshalb Günther Franke, der Sonnenelektrotechniker. Er schätzt, er würde nicht der Einzige bleiben: „Da gibt’s ’ne Welle.“ Franke sitzt für die CSU im Stadtrat von Neuendettelsau, dem Nachbarort von Petersaurach. Er hat den vier Bauern ihre Anlage entworfen und installiert – „die C160P“. Als Franke vor zehn Jahren anfing, war er allein. Heute arbeiten an die dreißig Leute für ihn. Es gibt seine zwei Elektroläden noch, und er macht mit Waschmaschinen und Bügeleisen kein Minus. Aber das große Geld bringt die Solartechnik. In den vergangenen vier Jahren hat er um die 800 Anlagen verkauft, die meisten an Landwirte. Zwischen 1996 und 2001 dagegen lagen die Verkaufszahlen noch im „Unter-50-Bereich“. Sie haben Mailing-Aktionen gemacht damals, 3.000 Briefe verschickt. Daraus sind 30 bis 45 Beratungsgespräche geworden. Und wenn sie in den Gesprächen nur einen einzigen Kunden gewinnen konnten, haben sie sich gefreut und jedes Mal eine Flasche Sekt aufgemacht. Dann kam Rot-Grün und dann das EEG.
Irgendwann haben sie das mit dem Sekt gelassen. Es hätte sonst im Alkoholismus geendet. Im Schnitt bringen sie jede Woche vier Anlagen an und wachsen jährlich um 50 Prozent. Trotz der Konkurrenz – „die Nachahmer“, sagt Franke –, die mittlerweile groß ist. Trotz der Siliziumknappheit, die die Lieferzeiten erheblich verzögert. Und trotz der Unsicherheit mancher Bauern über das, was denn unter einer neuen Regierung, die gewiss nicht mehr rot-grün sein würde, mit ihrer geplanten Sonnenernte werden soll.
Günther Franke sagt, er sei schon immer ein ökologisch denkender Mensch gewesen. CSU und Ökologie würden sich nicht ausschließen. „Wir sind keine Ökoschweine.“ Die meisten seiner Kunden wählen die CSU. Einen Grünen mit Solaranlage kenne er gar nicht. Sein Vorgänger habe auch keine. Von dem hat er den einen Elektroladen übernommen. Der ist auch bei den Grünen, auch so ein „Ökospinner“. Die reden, sagt Franke, die CSU tut etwas. In Gestalt von Günther Franke versorgt sie Mittel- und Unterfranken mit Photovoltaikanlagen.
In Petersaurach kehrt Hans Hauenstein in Gummistiefeln und mit freiem Oberkörper die Gülle aus dem Kuhstall. Er ist froh, dass sie sich damals für die Solaranlage entschieden haben. „Man hat ma was, wo ma keine Arbeit mit hat“, sagt er. „Des rechnet sich in etwa so wie a gutes Festgeld.“ 120.000 Mark hat jeder für seinen Teil gezahlt. Der Kredit war mit 1,9 Prozent Zinsen sehr günstig. Für die Kilowattstunde kriegen sie 20 Jahre lang 99 Pfennig, daran wird auch die neue Regierung nichts ändern. Manche, die sich nach ihnen entschlossen haben, bekommen sogar noch mehr. Seit 2003 sind die Sätze höher. Das ärgert Hans Hauenstein ein bisschen, dass sie da so benachteiligt werden, „obwohl wir mit Vorreiter waren“. Andererseits ist das 100.000-Dächer-Programm ausgelaufen. Die Kredite sind nicht mehr so günstig wie ihre damals. „Ich find’s scho gut, wenn’s sinnvolle Alternativen gibt zum Atomstrom“, sagt Hauenstein.
Als die Anlage noch neu war, sind sie oft zur Halle gefahren und haben abgelesen, wie viel Strom sie produziert. Wenn im Winter Schnee lag, ist Hans Hauenstein mit dem Besen aufs Dach geklettert und hat die Zellen frei geräumt. Die Euphorie hat sich gelegt. Sie lesen jetzt nur noch ab, wenn sie dem lokalen Energieunternehmen die Zahlen mitteilen. Vor zwei Jahren, erinnert sich Hauensteins Frau, war der „dolle Sommer, wo’s recht heiß war“. Da haben sie ordentlich Sonne geerntet. Im Schnitt erzeugt ihr Teil der Anlage 10.000 Kilowatt pro Jahr. Als Landwirte verbrauchen sie etwas mehr. Für einen normalen Haushalt würde es rechnerisch reichen, um sich selbst zu versorgen.
„Gett des? Lefft des?“
Mit der Sonne ist es ein zwiespältiges Vergnügen, sagt Richard Weißmann. Man hat mehr Strom. Aber man hätte gern auch Regen für die Felder. Weißmann macht den Hosenschlitz am Blaumann zu und schaut zu, wie die Sonne aufs gerade gedeckte Scheunendach scheint. In ein paar Wochen wird ihn die neue Kollektorenfläche anblitzen. Er ist so zufrieden mit seinem Anlagenanteil, dass er für 90.000 Euro eine zweite baut. Der Kredit ist mit der Grundschuld abgesichert. So haben das alle vor vier Jahren gemacht. Weißmanns älteste Söhne haben sich auch Photovoltaik-Konstruktionen auf den Dächern ihrer Häuser installieren lassen. Er hatte überlegt, die Zellen auf seiner eigenen Maschinenhalle anzubringen. Aber die ist ein bisschen weit draußen. Jemand hatte ihm erzählt, dass man einem Bauern in der Gegend kürzlich in der Nacht eine Anlage vom Dach geklaut hat. Fein säuberlich abgebaut. Deshalb hat er die Solarzellen lieber in seiner Nähe, auch wenn sie versichert sind.
Der Bauer Weißmann ist der einzige der vier Petersauracher Solarpioniere, der eine zweite Anlage gekauft hat. Aber in der Familie und im Bekanntenkreis kennen sie alle etliche Landwirte, die auch gemerkt haben, dass sich der Handel mit den wenig radioaktiven Sonnenstrahlen rechnet. Mittlerweile werden sogar Dachflächen an Solaranlagenbesitzer vermietet. Bei Hauensteins Bruder glänzen die Sonnenkollektoren auf dem Schweinestall. Und Segets Schwager hat „zwei Putenställe voll geknallt“. So groß wie Tennishallen sind die, sagt Dieter Segets. Dabei war der Schwager anfangs immer skeptisch gewesen. „Gett des? Lefft des?“, hat er gefragt. Und als er gemerkt hat, dass es geht und läuft, hat er gleich im großen Stil angefangen. „Jetzt hat er uns rechts überholt“, sagt Segets. Er lacht.