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Archiv-Artikel

Vignette abgelehnt

VON STEPHAN KOSCH

Das Fahren auf der Autobahn wird in Deutschland auch künftig kein Geld kosten. Die Bundesländer haben sich mit knapper Mehrheit gegen die Einführung einer Pkw-Maut ausgesprochen. Auch eine Vignette wurde gestern auf einer Konferenz in Rostock abgelehnt. Damit seien die Länder mehrheitlich einer Beschlussempfehlung von Mecklenburg-Vorpommern gefolgt, hieß es aus Konferenzkreisen. Während sich die SPD-geführten Länder Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg oder Berlin sowie Niedersachsen gegen die Maut ausgesprochen hätten, stimmten Baden-Württemberg und Bayern dafür. Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz hätten sich enthalten

Die 3,5 Milliarden Euro, die jährlich zusätzlich für den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur benötigt werden, sollen nun aus der Mineralölsteuer über die Erhöhung des Anteils für den Straßenbau finanziert werden. Diesem Beschluss seien die Länder einstimmig gefolgt, hieß es.

Somit wurde der Vorschlag einer von den Verkehrsministern der Länder eingesetzten Arbeitsgruppe abgelehnt. Die Arbeitsgruppe hatte die Einführung einer Autobahnvignette vorgeschlagen, die 100 Euro im Jahr kosten sollte. Dreieinhalb Milliarden Euro sollte das für die Renovierung und den Bau von Straßen bringen.

Die Front zwischen Gegnern und Befürwortern verlief quer durch alle Parteien. Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe (SPD) sprach von „Abzocke der Autofahrer“. Vor allem Pendlern seien angesichts der derzeit hohen Benzinpreise keine weiteren Kosten zumutbar, argumentieren die Maut-Gegner.

Allerdings sah das die Arbeitsgruppe ähnlich: „Mit der Einführung von Nutzerentgelten müsste aus mehreren Gründen eine Senkung der Verkehrsteuern einhergehen“, hieß es in deren Bericht. So würde zwar nicht unbedingt mehr Geld in den Staatssäckel fließen. Eine Autobahnabgabe sollte aber ohne Umwege dem Straßenbau zugute kommen. Das wäre anders als bei der Lkw-Maut, die sowohl in den allgemeinen Bundeshaushalt geht als auch für Bau und Instandhaltung von Schienennetz und Wasserstraßen verwendet wird.

Zudem sei eine Kompensation für Autofahrer für die Akzeptanz einer Vignette in der Bevölkerung von „besonderer Bedeutung“. Die knapp 8 Milliarden Euro Kfz-Steuer gelangen aber komplett in die Hände der Bundesländer. Es überrascht deshalb nicht, dass den Ländervertretern lieber die Senkung der Mineralölsteuer vorgeschlagen wird, stehen doch die rund 42 Milliarden Euro pro Jahr exklusiv dem Bundeshaushalt zu. Eine Senkung der Steuer führe auch dazu, dass „Vielfahrer stärker und Wenigfahrer weniger entlastet werden“, argumentierte die Expertengruppe.

An diesem Punkt setzt die Kritik von Umweltschützern an. „Sobald eine Vignette gekauft ist, suggeriert sie dem Fahrer, dass er sein Auto häufig benutzen muss, um den Kaufpreis wieder herauszufahren“, sagt zum Beispiel Olaf Tschimpke, Präsident des Naturschutzbunds Deutschlands (NABU). Zudem befürchtet er, dass gelegentliche Autobahnbenutzer auf Bundes- oder Landstraßen ausweichen würden, was zu mehr Verkehr in Ortschaften führen würde. Ungewöhnlicherweise pflichtet der Argumentation des NABU auch der Verband der Automobilindustrie bei. Die Vignette belaste denjenigen, der wenig fahre, und belohne den Vielfahrer, erklärte der Verband gestern. Und grundsätzlich sei eine weitere Belastung des Autofahrers nicht zu rechtfertigen.

Zusätzliche Einnahmemöglichkeiten für die Infrastruktur werden „sicher auch in den Koalitionsverhandlungen besprochen werden müssen“, hatte CSU-Landesgruppenchef Michael Glos am Dienstag gesagt. Die designierte Kanzlerin Merkel (CDU) hatte schon im Wahlkampf eine Pkw-Maut strikt abgelehnt.