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Wer liegt unter meinem Bett? Und wer daneben?Wenn sich Spione zu sehr integrieren

Die Couchreporter Heute: Kersten Augustin

Lange hat mich eine Serie nicht so süchtig gemacht wie „The Americans“. Ich habe in der vergangenen Woche drei Staffeln geguckt, bin morgens um vier Uhr eingeschlafen und verschwitzt wieder aufgewacht – von einem Traum, in dem ein KGB-Agent unter meinem Bett liegt. Oder liegt die KGB-Agentin neben mir?

Das ist die Faszination: Ist die Freundin, der Nachbar, der Kollege wirklich das, was er vorgibt, zu sein? (Es kann doch nicht wirklich so viele Menschen geben, die Lehrer sind oder was mit Medien machen.)

„The Americans“ spielt Anfang der 1980er Jahre in Washington. Elizabeth und Phi­lipp Jennings (Keri Russell und Matthew Rhys) scheinen das perfekte amerikanische Paar zu sein. Sie wohnen in einem Haus in den Suburbs, haben zwei Kinder, die sich für Baseball interessieren und sich in der Kirchengemeinde engagieren. Doch Elizabeth und Philipp heißen eigentlich Nadeshda und Mischa. Sie arbeiten nicht in einer Reiseagentur, sondern sind sowjetische Agenten. Als Kinder in Russland lernten sie akzentfreies Englisch und wurden nach Amerika gebracht. Ihre Ehe wurde arrangiert, sie ist wie die gemeinsamen Kinder nur Fassade, anfangs.

Nachts ziehen Elizabeth und Philipp los, ausgestattet mit einer beeindruckenden Auswahl von Perücken und falschen Bärten, um Informanten zu treffen oder militärische Bauzeichnungen zu klauen. Das ist nett anzuschauen, weil das Wettrüsten der frühen achtziger Jahre überzeugend gezeigt wird und sich die Paranoia von den Agenten auf den Zuschauer überträgt.

Wie bei allen bejubelten Serien der letzten Jahre hat auch „The Americans“ in der zweiten, dritten Staffel Schwächen. Man bekommt den Eindruck, Eli­za­beth und Philipp würden jede Nacht als Spione um die Häuser ziehen, was das Versteckspiel unrealistisch erscheinen lässt. Dabei sind es gar nicht die immer neuen Aufträge des KGB, die die Serie faszinierend machen, sondern es ist eben das Doppelleben in der Familie. Das Ehepaar, insbesondere Philipp, gewöhnt sich mit der Zeit an den amerikanischen Lebensstil. Die Kinder werden älter, haben ihr gesamtes Leben in Amerika gelebt. Sie werden misstrauisch, und die Eltern müssen sich entscheiden, ob sie ihren Kindern die Wahrheit zumuten.

Man merkt der Serie an, dass sie von einem Amerikaner erdacht wurde, Joe Weisberg, der früher als CIA-Agent arbeitete: Alle Rückblenden spielen im sibirischen Winter. In der „Rezidentura“, der sowjetischen Botschaft in Washington, von der aus ein Teil der Spionagecoups geplant wird, sieht man hauptsächlich russische Diplomaten vor wandfüllenden Lenin-Gemälden saufen.

Politisch bemüht sich die Serie um eine ausgeglichene Darstellung des Kalten Kriegs. Immer wieder werden historische Ereignisse herangezogen. So sollen Philipp und Elizabeth in einer Militärbasis die Ausbildung der Contras aus Nicaragua nachweisen. Dem 8. März 1983, an dem Ronald Reagan die Sowjetunion als „Evil Empire“ bezeichnete und den Thermostaten des Kalten Kriegs noch mal um einige Grad runterdrehte, ist eine ganze Folge gewidmet.

Und jetzt fehlt diesem Text noch ein Schluss. Aber ich muss dringend die vierte Staffel weitergucken. Und nachschauen, was da unter meinem Bett liegt.

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