Zwischen den Zeilen
: Vergrößerte Artefakte

So zwischen 80 bis 120 Nanometer ist der Durchmesser des Erregers der Vogelgrippe. Mit bloßem Augen ist er nicht sichtbar. Mit einem Lichtmikroskop auch nicht. Die einzige Möglichkeit, einen Blick auf das Virus zu werfen, bietet daher nur ein Elektronenmikroskop (EM). Aber auch wenn im EM ein Vielzahl von winzigen Membranstrukturen sichtbar werden, ein Beweis dafür, dass es sich um den Erreger der Vogelgrippe handelt, ist das noch lange nicht. Von daher fiel es dem Publizisten und Virologen Stefan Lanka am Mittwoch in der taz sicherlich sehr leicht, zu sagen: „Die so genannten Virus-Fotos von H5N1 stellen nichts anderes als Zellkultur-Artefakte dar. Das würde ich vor Gericht eidesstattlich versichern.“

Bevor überhaupt ein Objekt im EM sichtbar gemacht werden kann, muss es immer sehr aufwändig präpariert werden. Zuerst muss mit Alkohol entwässert werden, dann wird eine flüssiger Kunststoff dazu gegeben, der auch noch bis in die letzte Pore des Objekts kriechen muss. Zuletzt wird dieser dann ausgehärtet. Dabei ist es fast zwangsläufig, dass das Objekt sich in Struktur und Zusammensetzung verändert. Folglich ist das, was im EM zu sehen ist, immer ein Artefakt. So gesehen hatte Stefan Lanka Recht. Auch ist im EM niemals erkennbar, ob es sich um ein H5N1-Virus handelt oder um ein H7N1 oder gar ein H9N2. Das ist im EM nicht erkennbar und wird voraussichtlich auch so bleiben. Aber daraus dann gleich zu schließen, die Wissenschaft bindet uns hier hier einen Bären auf, führt dann vollends in die Sackgasse. Der Nachweis für ein tödliches Vogelgrippe-Virus wird mittels serologischer und molekularer Testverfahren und dem Tierversuch geführt. Es ist auch kaum etwas anders möglich. Stefan Lank vertritt übrigens bei dem HIV-Erreger eine ähnliche Position. Damit ist er auch bekannt geworden.

WOLFGANG LÖHR