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Archiv-Artikel

US-Forscher rekonstruierten Killervirus aus dem Eis

Die Grippe-Pandemie von 1918 forderte über 20 Millionen Opfer. Wissenschaftler bauten das tödliche Virus für Forschungszwecke im Labor nach

Vor 87 Jahren starben die Männer in Alaska an der Grippe. Forscher gruben vor einiger Zeit die Leichen aus dem gefrorenen Boden, um das tödlichen Influenza-Virus zu analysieren. Die Erkenntnisse sind in Betracht auf die Vogelgrippe 2005 relevant.

Die weltweite Grippeepedemie von 1918 forderte zwischen 20 und 80 Millionen Opfer. Sie wurde offenbar von einem Virus ausgelöst, das von Vögeln stammte und sich dem Menschen anpasste. Könnte es das derzeit kursierende Vogelgrippe-Virus H5N1 dem Erreger von 1918 gleichtun?

Um diese Frage zu beantworten, ließ der US-Pathologe Jeffery Taubenberger das Virus wieder auferstehen. Er rekonstruierte es aus den Proben der 1918 verstorben Männern. Sie stammen zum Teil von Lungengewebe der Grippeopfer, das in Formalin fixiert worden war, zum Teil von exhumierten Leichen, die in Alaska an der Krankheit starben und durch den permanenten Frost konserviert waren.

Taubenberger trieben zwei Fragen an: Woher kam das Virus von 1918? Und weshalb war es so tödlich? Antworten auf diese Fragen könnten helfen, sich besser auf eine Epidemie vorzubereiten. Einige Antworten konnte Taubenberger schon geben. Das Virus von 1918 stammt offenbar von einem Vogelgrippe-Virus ab, das sich an den Menschen angepasst hatte. Dass das Virus somit völlig neu für das menschliche Immunsystem war, könnte die hohe Sterberate erklären. Das Virus zerstörte das Lungengewebe.

Noch kann sich das derzeit grassierende Virus H5N1 nicht von Mensch zu Mensch verbreiten. Doch jeder zweite Mensch, der sich durch Kontakt mit Geflügel infiziert, stirbt.

Ob H5N1 die Mutationen gelingen, die nötig sind, um sich Menschen anzupassen, lässt sich nicht voraussagen. Eine schrittweise Anpassung an den Menschen werde allerdings bereits beobachtet, meldet die Ärzte Zeitung. Beim Virus von 1918 fanden sich an Genen Veränderungen, die für die Anpassung an Menschen nötig waren. Ähnliche Veränderungen würden beim derzeit kursierenden Vogelgrippe-Virus H5N1 beobachtet. „Nach den jetzt veröffentlichten Daten sind nicht mehr sehr viele Mutationen nötig“, zitiert die Ärzte-Zeitung den Virologen Georg Pauli vom Robert-Koch-Institut in Berlin. Würden diese Veränderungen früh erkannt, ließen sich vielleicht schon vor Beginn einer Epidemie Impfstoff und Medikamente produzieren.

Einige Forscher warnen allerdings, dass das Rekreieren gefährlicher Viren hohe Risiken berge. So warnt die Molekularbiologin und B-Waffenexpertin Barbara Hatch Rosenberg im Wissenschaftsmagazin Nature, dass der Erreger aus den Forschungslaboren entweichen könnte. Und Richard Ebright, Bakteriologe an der Rutgers University in New Jersey, sagt, die Veröffentlichung der vollständigen Genomsequenz liefere „Gruppen, die einen bioterroristischen Anschlag planen, alle Informationen, die sie benötigen, um ihre eigene Version des Virus’ zu entwickeln“. Taubenberger und Kollegen hätten ein Virus konstruiert, das zur effektivsten biologischen Waffe der Welt werden könnte. ANNETTE LEYSSNER