: Homosexuelle bleiben verurteilt
UNRECHT Die Länder fordern Wiedergutmachung für Schwule, die verfolgt wurden. Doch der Bund zögert
Die Länder fordern sie mehrheitlich, doch die schwarz-gelbe Bundesregierung ist immer noch zögerlich, wenn es um die Rehabilitation von Homosexuellen geht – die bis Ende der sechziger Jahre in beiden deutschen Staaten strafrechtlich verfolgt wurden.
Zwar hat der Bundesrat jüngst eine entsprechende Entschließung verabschiedet: Die formelle Aufhebung entsprechender Strafurteile sowie eine Entschädigung der Opfer solle von der Bundesergierung zumindest „ernsthaft“ geprüft werden. Doch im Justizministerium von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) ist man momentan zurückhaltend: Derzeit werde „überlegt“, ob es weitere Möglichkeiten gebe, das Leiden der Homosexuellen „anzuerkennen“ und „aufzuarbeiten“, sagte eine Sprecherin. Sie verwies zugleich auf die 2011 gegründete Bundesstiftung Magnus Hirschfeld, welche unter anderem Forschungsprojekte fördert. Das klingt nicht nach Entschädigung.
In beiden deutschen Staaten wurden nach dem Zweiten Weltkrieg insgesamt mehr als 50.000 Männer wegen ihrer Homosexualität verurteilt. Die einschlägige, seit 1872 geltende und von den Nazis 1935 verschärfte Gesetzgebung galt in Westdeutschland bis 1969, in der DDR bis 1968 weiter fort. Sämtliche sexuellen Handlungen unter Männern – auch erotisch interpretierbare Annäherungen – waren demnach strafbar. Unterschiedliche Altersgrenzen für Homo- und Heterosexuelle gab es sogar noch bis 1994.
Im Jahr 2000 hat der Bundestag zwar sein Bedauern über das Unrecht und die Verfolgung Schwuler bekundet, doch das war nur eine Deklaration ohne weitere Folgen. Zwei Jahre später wurden lediglich pauschal alle jene Urteile aufgehoben, die in Nazi-Deutschland gegen Homosexuelle gefällt wurden.
Eine Wiedergutmachung steht weiter aus. Die Initiative, das zu ändern, ging nun von Hamburg und Berlin aus. „Die strafrechtliche Verfolgung Homosexueller ist ein trauriges und beschämendes Kapitel deutscher Geschichte“, sagte Hamburgs Justizsenatorin Jana Schiedek (SPD). „Sie zerstörte nicht selten Existenzen.“ Eine volle gesellschaftliche und rechtliche Rehabilitation sei überfällig.
Auch Niedersachsen unterstütze „nachdrücklich“ dieses Anliegen, ließ die schwarz-gelbe Landesregierung ausrichten. Die gesetzliche Aufhebung von Urteilen, die nach 1949 fielen, lehnt der CDU-Justizminister Bernd Busemann aber „aus grundsätzlichen Überlegungen“ zur Gewaltenteilung und Unabhängigkeit der Rechtsprechung ab.
Das Bundesverfassungsgericht hatte die homophoben Gesetze 1957 mit Hinweis auf die christliche Lehre als verfassungs- und menschenrechtskonform bestätigt. Es bestünde die Gefahr, dass Rechtssicherheit „letztlich von wechselnden Mehrheiten im Bundestag abhängig werden könnten“, heißt es nun aus Niedersachsen. Und die Aufhebung von Grundgesetzurteilen sei „auch nicht als Ausnahme in Betracht zu ziehen“, sagt die Landesregierung. JAN ZIER