Unterwegs So kommt man herum. Der Schriftsteller Bill Bryson reist durch England und Wales, einer musikalischen Eule gleich durch ein Nach-Brexit-Europa
: Wo die schrägen Vögel musizieren

Die spinnen, die Briten. Bisher schwang in dieser Feststellung etwas Liebevolles mit. Mit dem Brexit gerät die Neckerei zum Befund. Der Schriftsteller Bill Bryson hat seine Rundfahrt durch England und Wales natürlich lange vor dem Referendum gemacht. Und doch weisen viele Anekdoten in „It’s Teatime, My Dear! Wieder reif für die Insel“ schon auf den Ausgang der Volksbefragung hin. Wenn er die Frisur von Boris Johnson, damals Bürgermeister von London, zum „Mahnmal für all das Chaos“ ernennt, wirkt das fast seherisch. Sogar Bryson sehnt sich nach Zuständen, wie er sie 1977 vorfand, als er aus dem Mittleren Westen der USA nach England übersiedelte. In den Sechzigern und Siebzigern sei alles, was kulturell von Interesse war, aus England gekommen. Wirtschaftlich sei England damals „der Kranke Mann Europas“ gewesen, aber die Leute hatten Ideen und waren für einander da. Inzwischen „muss mir irgendjemand mal erklären, woher es kommt, dass Großbritannien sich für immer ärmer hält, je reicher es ist“.

Bryson lebt inzwischen – mit einer kurzen Unterbrechung – seit fast vierzig Jahren auf der Insel, ist sogar Brite geworden (die absurden Einbürgerungsformalitäten, die er beschreibt, sind allerdings kein britisches Spezifikum und in anderen Ländern auch zu bewältigen), hat vielleicht die Sicht des Außenstehenden schon eingebüßt, mit der er auf seiner Reise durch alle Grafschaften, Wales, den Peakdistrikt oder die Seenplatte Land und Leute beschreibt.

Zu fast allen Orten bringt er weniger geläufige historische Fakten ins Spiel, und auch die Vergleiche der gesellschaftlichen Stimmung Ende der Siebziger mit der heutigen sind erhellend. Aber anders als die Amerikanerin Helene Hanff, die in ihrem Reisetagebuch „Die Herzogin der Bloomsbury Street“ London ihre Liebe erklärt, indem sie warmherzig und detailliert die Kauzigkeit der Menschen beschreibt, auf die sie trifft, ist Brysons Bericht vor allem ein Bericht über ihn und wie er die Dinge, die da auf der Insel vor sich gehen, bewertet. Der Wunsch, amüsant zu klingen, schafft (zumindest in der deutschen Übersetzung) zudem Distanz: „Das Verschwinden jeglichen ästhetischen Pflichtgefühls gegenüber der eigenen Straße ist eine der schlimmsten Entwicklungen in London.“ Es mag sein, dass dieser Eindruck auch der sehr britisch zurückhaltenden Lesung von Oliver Rohrbeck geschuldet ist. Bill Bryson, „It’s Teatime, My Dear! Wieder reif für die Insel“, Der Hörverlag, 1 mp3-CD, ca. 10 Std. 18 Min. gekürzte Lesung, 2016

Als hätten sie es schon geahnt: In ihrem „Musik-Hörspiel quer durch den Sound Europas“ schicken die drei in Hamburg ansässigen Eule-Erfinderinnen Christina Raack, Nina Grätz und Charlotte Simon ihre musikwissbegierige kleine Eule durch viele europäische Länder – aber England ist nicht dabei! „Eule findet den Beat auf Europatour“ ist eine charmante Reise durch die Klangwelten unseres Kontinents.

Im ersten Hörspiel, „Eule findet den Beat“, das inzwischen als eine Art unpädagogische Musikfibel Unterrichts­gegenstand an Schulen geworden ist und auch als Theaterversion existiert, entdeckt die Eule die unterschiedlichen Musikstile: Ob Pop, Jazz, Reggae, Oper oder HipHop, wie durch ein Wunder lernt das Federvieh am laufenden Band schräge Vögel kennen, die für einen bestimmten Musikstil brennen und ihre Leidenschaft gern mit der kleinen Eule – und den kleinen HörerInnen – teilen.

Eules Europatour beginnt auf einem Schlagerfestival in der Stadt, in der Eule lebt. „Im Schlagerhimmel, da san alle Ecken rund.“ Der deutsche Schlager tönt bayrisch, und auch bei allen Stationen sind Raack und Co angenehm schmerzbefreit und suhlen sich mit Humor in jedem Klischee. Ein Gewitter beendet den Auftritt des Schlagerbibers, der ihr in seinem Tourbus nebenher die Quintessenz des Schlagers erklärt. Er nimmt Eule mit auf Tour. Sie treffen auf einen Flamingo mit Akkordeon – ein Franzose! Er erklärt Eule den Chanson. Und die Ironie. Der Flamingo hat eine Flamme in Spanien, also geht es nach Spanien, zum Flamenco. Dort lebt auch ein fiedelnder Ire, der jede Menge Infos über Irish-Folk parat hat – und natürlich einen saftigen Folksong. Auf einem schwedischen Mittsommernachtsfest endet Eules gehörschärfende Reise, und bis dahin hatten nicht nur Kinder ihren Spaß. Wer die Songs einmal ohne die Rahmengeschichte anhören möchte, legt die reine Musik-CD auf. „Eule findet den Beat auf Europatour“, 2 CDs, Hörspiel ca. 68 Min. & alle Songs ca. 24 Min., (noch mal!/Universal)Sylvia Prahl