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Aber wofür?

Notizbuch Ein Kritiker und die Belesenheit Thilo Sarrazins

Entgegen mancher PR-Kampagne hilft Lesen leider doch nicht immer. In der aktuellen Ausgabe der im Grunde sowieso unverzichtbaren Literaturzeitschrift Volltext (nur der große Essay von Thomas Lang über Yves Petry und Heinz Strunk ist leider allzu holzschnittartig ausgefallen, er wollte Strunk halt doof finden) wird der Literaturkritiker Uwe Wittstock gefragt, was er als die primäre Aufgabe von Literaturkritik heute sehe. Standardfrage. Aber Wittstocks Antwort ist bemerkenswert. Er beginnt nämlich von seinem letzten Besuch bei Thilo Sarrazin zu erzählen, über den er ein Porträt ­schreiben sollte.

„Auch wenn man Sarrazin nicht mag“, so Wittstock, „muss man zugeben, dass er ein belesener Mann ist. Überall im Haus wachsen Bücherregale die Wände hoch voller Literatur: Klassiker, Romane, Erzählungen.“ Als sie dann über Sarrazins eigenes Buch sprechen und dessen Hartherzigkeit offensichtlich wird – Sarrazin bedauert es noch nicht einmal, notleidende Flüchtlinge abzuweisen –, beschleicht Wittstock Beklemmung: „Aber wofür, fragte ich mich in Sarrazins Gästesessel, wofür all diese endlosen Bücherwände, all dieser literarische Bildungseifer, wenn dabei nichts anderes herauskommt als rhetorisch glänzend verpackte Mitleidlosigkeit?“

Tja, mal merken, wichtiger Punkt. Bücher sind eben nicht per se gut. Sie können auch Festungen sein. drk

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