: Genussmensch ohne Berührungsängste
Ancelotti Der neue Trainer des FC Bayern bringt Entspannung und Gelassenheit an die Säbener Straße. Auch ein holpriges Testspiel beunruhigt ihn offenbar nicht. Und gute Restaurants hat er in München auch schon gefunden
aus Lippstadt Maik Rosner
Carlo Ancelotti hat gelassen reagiert, so ruhig, wie es seinem Image entspricht. Wildes Gestikulieren ließ sich nicht beobachten, stattdessen stand der neue Trainer des FC Bayern beim ersten Test der Saison am Samstag auch dann noch sehr unaufgeregt an der Seitenlinie, als seine Mannschaft das zweite Gegentor beim Oberligisten SV Lippstadt 08 kassiert hatte. Aufregung beim Debütspiel, Verärgerung über die laxe Abwehr? Schon möglich, aber nicht erkennbar.
„Meine erste Woche war gut“, sagte Ancelotti nach dem 4:3- (3:0)-Sieg beim Heimatverein seines Chefs Karl-Heinz Rummenigge, der auf der Tribüne den etwas holprigen Einstand verfolgt hatte. Gewinnen ließ sich vor allem der Eindruck, dass eine neue Ruhe in der Coachingzone des FC Bayern Einzug gehalten hat. Dort, wo sein Vorgänger Pep Guardiola drei Jahre lang stets im feinen Zwirn gewirbelt und viele erfolgreiche Experimente vorgegeben hatte.
Aufgenommen hatte Ancelotti seine neue Tätigkeit bereits drei Tage vor seinem offiziellen Arbeitsbeginn. Besichtigung der Geschäftsstelle und des Leistungszentrums, Begrüßung einiger Mitarbeiter und Spieler, Übergabe des Trainerbüros und Dienstwagens sowie Besprechung seiner Präsentation am Montag. Dass das alles genau von der Bild-Zeitung protokolliert wurde und diese noch vor der offiziellen Vorstellung des Trainers ein Exklusivinterview mit Ancelotti bekam, erzählte schon viel über die Veränderungen im Vergleich zu Guardiola.
Der Katalane war stets unnahbar geblieben, Ancelotti dagegen hat weniger Berührungsängste. „Lange Frage, kurze Antwort“, sagte er auf seiner Präsentation. Damit wollte er wohl vermitteln, dass er ein Mann der klaren Aussagen ist. Die formuliert er schon häufig auf Deutsch. Der 57-Jährige findet, der Gebrauch der Landessprache sei „eine Frage der Professionalität“.
Ancelotti, der Bauernsohn aus der Poebene, gilt als ruhiger und gemütlicher Charakter. Er kokettiert sogar mit dem Image des Genussmenschen. Er habe in München schon einige Restaurants kennengelernt, „ich muss ja auch essen und trinken“, ließ er wissen. „Er ist ein cooler Bursche, sehr menschlich, mit einem großen Herz“, sagte Rummenigge nun in Lippstadt, „wir haben einen wunderbaren Trainer geholt.“
Und unterschätzen sollte man diesen Trainer wohl besser nicht, schon gar nicht in Sachen Ehrgeiz. Er dürfte sich auch sehr dafür interessieren, den Champions-League-Titel zu gewinnen, der Guardiola in seinen drei Münchner Jahren versagt geblieben war.
Rummenigge über Ancelotti
Auch im Training fallen die Unterschiede auf: mehr Fluss, weniger Unterbrechungen, vor allem schlichtere Übungen. Es wirkt beinahe, als wolle er das Spiel gezielt vereinfachen. „Das Wichtigste ist der Teamgeist. Ich möchte, dass meine Spieler auf den Platz gehen und versuchen, miteinander zu spielen und sich gegenseitig zu helfen. Das ist der Schlüssel zum Erfolg, nicht das System“, sagte er bereits.
„Er ist ein anderer Typ“, findet Philipp Lahm. Der Kapitän war Guardiolas Musterschüler, geprägt war ihr Verhältnis von einer hohen gegenseitigen Wertschätzung. Wenn Lahm nun über Ancelotti spricht, muss er aufpassen, dass kein abwertender Zungenschlag reinkommt. Lahm sagt: „Alle Trainer haben verschiedene Charaktere.“
Thomas Müller befindet: „Ein sehr erfahrener Mister, der sehr souverän auftritt, aber auch Entspannung und Vorfreude auf seinen Job bei Bayern ausgestrahlt hat.“ Auch die Vergleiche mit seinem Vorgänger Pep Guardiola dürften Ancelotti kaum aus der Ruhe bringen.
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