Das Wetter: Ölige Tochter:
Der herbe Ölgeruch stieg in ihre Nase auf und brachte sie zum Lächeln. Wie gern wäre sie jetzt auf einer Bohrinsel, wo die Stahlgestänge quietschten, der raue Wind nasses Salz auf ihre Haut prasseln ließ und heisere Kommandos gebellt wurden, damit jeder Handgriff saß. Manchmal tauchte Judith Lindner nachts in der Garage heimlich ihre Hände in Motorenöl, und hätte sie nicht ihre Traumausflüge, sie hätte längst kapituliert. Seit einem Jahr war sie nun Vorsitzende des Internationalen Bundes für Pastorentöchter, der immerhin Vertretungen in Vancouver, Kapstadt und Auckland besaß. Aber den ganzen Tag diese grauen, zähen und gegen sich selbst harten höheren Töchter und ihre kulturell wertvolle Lyzeumswelt um sich zu haben, war unerträglich. „Judith!“, rief ihr Mann von oben, und Judith Lindner nahm noch eine allerletzte Nase vom Motorenöl, bevor sie in ihre rosafarbene Kuschelbettwäsche zurückkehrte.
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