LeserInnenbriefe
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Nicht repräsentiert

betr.: „Ich bin ein Proll“, taz vom 9. 7. 16

Erst einmal freue ich mich immer wieder, dass der Trans*sexualität in meiner taz Raum und Zeit gegeben wird. Dennoch habe ich, als Trans*Frau, Bedenken mit dem Interview, dass erneut ein oberflächlich positives, doch auch gefährliches Licht auf uns geworfen wird. De Paris sagt, sie fände es „inakzeptabel“, dass sich queere Menschen Normalität wünschen, und in ihrer Zeit wäre es „normal“, dass sich Schwule stereotyp mit weißen Hosen, rosa Hemden, eben bunt, kleideten. Dieses Bild hat nichts von einer Nonkonformität, wie sie de Paris anpreist, sondern ist Bestandteil des heteronormativen Blicks auf uns queere Menschen. Das führt auch dazu, dass beispielsweise heterosexuelle Männer, die sich pink kleiden, das Etikett des „Schwulsein“ angeheftet wird. Diese Vereinnahmung ist eine positive Diskriminierung, die ich scharf kritisiere. Transvestitismus und Trans*sexualität sind nicht gleichzusetzen, da ersteres eine artistische Form ist, zweiteres (m)eine Identität resp. ein Wortversuch, meine Identität zu benennen (linguistisch als Antiform, aber immerhin etwas). Trans*Menschen sind kein monolithischer, schriller Block, die sich stets bunt kleiden, auffallen wollen. Ich als junge Trans*Frau, die sich bewusst gegen die Norm stellt, fühle mich durch de Paris und das Interview nicht repräsentiert, da es nur einen weiteren Blick auf uns wirft, wie ihn die heterosexuelle Welt definiert. Man sieht den Leuten das Geschlecht nicht an. Übrigens: Ich bezweifle es stark, dass es keine transsexuelle Schauspieler*innen gibt. Warum also eine transsexuelle Rolle nicht eine*m Transsexuellen*m anbieten? Auch das gehört zur Gleichberechtigung. ELISA NOWAK, Gailingen,

Es heißt Apanage

betr.: „Gebt ihr Geld“ von Bettina Gaus, taz vom 9. 7. 16

Nicht alles, was sich feministisch anhört, ist auch fortschrittlich. Geld für First Ladies gibt es schon längst, es heißt Apanage und setzt eine Monarchie voraus. Wie sich das Problem fortschrittlicher lösen lässt, zeigt seit Langem Frau Merkel: Ihr Mann macht einmal kurz Small Talk und geht den Rest des Jahres seinem Beruf nach. Selbst Guido Westerwelle hat unter Beweis gestellt, dass ein deutscher Außenminister nicht zwingend eine Frau an seiner Seite braucht. Pfarrer Gaus hätte diese Chance gehabt, spricht sich doch selbst in der Kirche herum, dass Frau Pfarrer nicht die Ehefrau des Pfarrers sein muss. Auch ein Blick ins Ausland hätte helfen können: Als 1978 Sandro Pertini italienischer Staatspräsident wurde, kündigte er gleich an, dass seine Ehefrau nicht als First Lady in den Quirinal ziehen würde; seiner Sympathie hat dies in keiner Weise geschadet.

Bettina Gaus’Vergleich mit der bezahlten Sekretärin hinkt leider, denn die Sekretärin des Bundespräsidenten wird nicht von zu Hause mitgebracht, sondern vom Vorgänger übernommen. Vielleicht wäre dies ja ein origineller Vorschlag: Man stelle eine gut bezahlte First Lady ein und gebe sie von Amtsinhaber zu Amtsinhaber weiter. Und wenn es eine Bundespräsidentin sein sollte, umso besser! KLAUS-RAINER BRINTZINGER, München

Nörgler ausgebremst

betr.: „Gebt ihr Geld“, taz vom 9. 7. 16

Eine kluge Idee, das Thema „Gerechtigkeit“ oder „Gleichbehandlung“ ganz oben, bei unseren Repräsentanten, anzusiedeln! 200.000 Euro Jahreseinkommen sind gemessen an den Gehältern in der Bankenlandschaft oder im „Spitzen“fußball zwar recht wenig, aber auch daran haben Sie gedacht: An die Verrechnung mit dem Gehalt des Bundespräsidenten – da haben Sie gleich die ewigen Nörgler ausgebremst. NORBERT VOSS, Berlin

Das wäre ein Dipfelesscheiß

betr.: „Gruß mit Warnruf“, Leserbrief, taz vom 8. 7. 16

„Sag’er seinem Herrn, er möge mich im Arsche lecken!“ Wer das wohl gedichtet hat? Sicher jemand, der weder von der deutschen Kultur noch ihrer Sprache eine Ahnung hat! Vielleicht ähnlich wie der Leserbriefverfasser Werner Boeck. Denn es ist fraglich, ob Genossenschaftsanteile hören können. Diese müsste man zurückfordern, nicht rufen. Aber das wäre ein Dipfelesscheiß (= schwäbisch)! Im 17. und 18. Jahrhundert wurde die derbe Luther-Sprache verfeinert. Die deutsche Sprache erreichte Höhen, wie keine andere Sprache der Welt; wenn passend, auch mit der Vokabel „Scheiß“. Und unser Schimmi wäre nicht Schimmi gewesen, wenn er die Hochsprache gebrauchte! Herr Boeck sollte seine Anteile bei der taz-Genossenschaft belassen und Goethes „Götz von Berlichingen“ lesen! PETER FINCKH, Ulm

Scheiß auf Menschenrechte?

betr.: „Grüne und Linke uneinig über Gegenmaßnahmen“,taz vom 9. 7. 16

Bei der Rechtfertigung für die Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien durch den CDU-Abgeordneten Willsch ist mir fast das Frühstück im Halse stecken geblieben. Ich meine, versteht der eigentlich, was er da sagt? Verantwortung? Beschränkt auf den elitären Wirtschaftsstandort Deutschland? Mord und Totschlag passieren eh. Scheiß auf Menschenrechte?! Wenn wir damit nicht Kohle machen, machen’s andere. So ’n bisschen Dreck am Stecken? Wird schon niemand checken.

ANDREAS LACHMANN, Hannover