: Jenseits des Datenschutzes
SWIFT-ABKOMMEN Wie sich Innenminister Thomas de Maizière im EU-Ministerrat auch entscheiden wird, das Koalitionsklima ist belastet
■ Swift: Die „Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication“ (Swift) wurde 1973 gegründet und ist eine von Banken getragenen Genossenschaft mit Sitz in Belgien. Über ihre Großrechner werden alle internationalen Banküberweisungen abgewickelt. Swift verbindet heute 8.600 Finanzinstitute in über 200 Ländern und wickelt täglich im Schnitt 15 Millionen Transaktionen ab. Die Hauptinformation („Wer hat wann wem wie viel überwiesen?“) lagert 124 Tage lang in zwei Rechenzentren in Zouterwoulde (Niederlande) und Culpeper (USA).
■ Der Datenzugriff: Seit den Terroranschlägen von 2001 haben US-Behörden unter Berufung auf Sonderrechte in den USA auf die Daten zugegriffen, um die Zahlungsströme von und zu Terrorverdächtigen auszuwerten. Kritiker sehen in dem Verfahren, das erst 2006 bekannt wurde, einen Verstoß gegen das Bankgeheimnis. Jetzt soll ein neues Rechenzentrum bei Zürich hinzukommen, damit europäische Überweisungsdaten nicht mehr in Culpeper gelagert werden müssen. Weil die USA aber weiterhin Zugriff auf die Swift-Daten haben möchten und die EU diesen Zugriff auch gewähren will, soll nun ein Abkommen zwischen beiden geschlossen werden. Am Montag entscheidet darüber der EU-Ministerrat. (chr)
VON CHRISTIAN RATH
Schluss mit dem Burgfrieden in der Innenpolitik. Die große Koalition steuert auf den ersten Konflikt um die innere Sicherheit zu. Am Montag wird in Brüssel ein Abkommen zur Abstimmung gestellt, das amerikanischen Antiterrorbehörden Zugang zu europäischen Bankdaten gewährt. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) will den vorliegenden Entwurf ablehnen oder die Abstimmung verschieben. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) will sich enthalten und damit das Abkommen passieren lassen.
Schon seit 2001 greifen die USA zur Terrorabwehr auf die Daten des globalen Finanzdienstleisters Swift zurück. Sie wollen wissen, von wem Terrorverdächtige Geld bekommen und an wen sie etwas überweisen. Dazu besorgen sich die USA die Daten des internationalen Überweisungsverkehrs bei Swift. Zwar erhalten sie nicht alle Daten, aber doch „Millionen“ Datensätze, wie die New York Times 2006 enthüllte, eingegrenzt nur nach Regionen und einer vagen „Bedrohungs- und Gefährdungsanalyse“. Diese Daten werden dann in den USA im Rahmen des TFTP-Programms (Terrorist Finance Tracking Program) ausgewertet. Nach US-Angaben ist nur etwa ein Prozent der Swift-Daten tatsächlich relevant. Die nicht benötigten Daten werden nach fünf Jahren gelöscht. Wenn jedoch eine Information als Beweis benutzt wird, etwa um einem Terrorverdächtigen das Konto zu sperren, kann sie auch länger gespeichert werden.
Dieses Programm starteten die USA kurz nach den Anschlägen von 2001. Ab 2003 gab es eine informelle Vereinbarung mit Swift, ab 2007 machten die USA gegenüber der EU einige Zusicherungen zum Datenschutz. Jetzt aber soll ein verbindliches Abkommen geschlossen werden. Denn die EU hat durchaus ein großes eigenes Interesse, dass die Amerikaner die europäischen Bankdaten auswerten, man hofft, so von den Erkenntnissen der Amerikaner zu profitieren. Immerhin 1.450 Hinweise, die mit TFTP erzielt wurden, haben die USA seit 2001 den europäischen Regierungen zur Verfügung gestellt, heißt es in einem Non-Paper, das derzeit in Brüssel zirkuliert.
Auch die FDP ist nicht gegen den Zugriff der Amerikaner auf die Swift-Daten, er soll aber rechtsstaatlicher erfolgen als bisher geplant. Die Liberalen berufen sich dabei auf den Koalitionsvertrag mit der CDU/CSU. Dort ist zum Beispiel ein „effektiver Rechtsschutz“ gefordert. „Davon sind wir noch weit entfernt“, beklagt FDP-Fraktionsvize Gisela Piltz. Benachrichtigungspflichten, Auskunftsrechte und Klagemöglichkeiten der Betroffenen seien nicht ausreichend.
Auch die im Koalitionsvertrag geforderten „klaren Regeln“ für die Weitergabe von Swift-Informationen an Drittstaaten sieht Piltz noch nicht gegeben. Wenn ein Anschlag unmittelbar bevorsteht, soll eine Weitergabe zwar möglich sein, allerdings müssten die USA dabei auf eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit verpflichtet werden.
Weniger Probleme sieht die FDP dagegen bei der Zweckbindung der Daten. Der Vertrag sieht – wie auch frühere Zusicherungen der USA – eindeutig vor, dass die Swift-Daten nur zur Terrorbekämpfung genutzt werden dürfen. Wirtschaftsspionage oder die Verfolgung von Steuerhinterziehern soll ausgeschlossen sein. Davon soll sich regelmäßig ein von der EU bestimmtes Vierer-Gremium überzeugen können, dem auch zwei Datenschützer angehören werden.
Eigentlich wollte die FDP auch, dass das Abkommen erst in Kraft tritt, wenn die nationalen Parlamente zustimmen. So steht es eindeutig auch im Koalitionsvertrag: „Das Abkommen ist unter Ratifizierungsvorbehalt zu stellen.“ Doch davon ist nicht mehr die Rede. Im Entwurf der schwedischen Präsidentschaft sind die nationalen Parlament überhaupt nicht erwähnt.
Dass nicht alle deutschen Forderungen erfüllt sind, weiß auch Innenminister de Maizière. Deshalb will er sich am Montag im Rat, so ist zu hören, nur enthalten. Wenn kein anderer EU-Staat dagegen stimmt, wäre damit das Abkommen aber angenommen. Noch aber konnte de Maizière sich in der Regierung damit nicht durchsetzen. Ein Treffen mit Leutheusser-Schnarrenberger endete am Dienstagabend ergebnislos. Ein weiteres Gespräch am Mittwochmorgen ebenso, trotz Anwesenheit der Kanzlerin. Offiziell verhandelt Deutschland noch mit der schwedischen Präsidentschaft über die Details.
Um einen Konsens zu finden, drängt die FDP massiv auf eine Vertagung der EU-Abstimmung. „Alles andere wäre ein Bruch des Koalitionsvertrags“, sagt Gisela Piltz. Die Vertagung hätte aber auch einen zweiten Vorteil. Wenn der Rat erst im Dezember entscheidet, muss auch das Europäische Parlament zustimmen. Denn am 1. Dezember tritt der Vertrag von Lissabon in Kraft, der die EU gerade im Bereich der inneren Sicherheit demokratisiert.
Eigentlich besteht keine Eile, denn das Swift-Abkommen soll ohnehin erst im Februar nächsten Jahres in Kraft treten. Für eine Vertagung der Abstimmung setzten sich auch Konstantin von Notz von den Grünen und Jan Korte von der Linken ein. „Dem Europäischen Parlament werden sonst wichtige Mitspracherechte entzogen“, sagt Korte.