Berliner Szenen: Identitätsprobleme
Schweinsteiger sein
Beim Herumstöbern in meiner Lieblingsbuchhandlung blättere ich in Axel Hackes „Fußballgefühl“, weil ich wissen will, was für ein Gefühl das genau sein soll. Ich lese mich an einer Stelle fest, in der Hacke beschreibt, wie sein Sohn beim Fußball einmal behauptete, er sei Schweinsteiger, was zu einem handgreiflich ausgetragenen Konflikt mit einem anderen Kind führte, das ebenfalls behauptete, es sei Schweinsteiger. Und zwei Schweinsteiger seien eben einer zu viel und würden zwangsläufig zu einem Identitätsproblem führen.
Anscheinend gibt es immer noch arme verwirrte Kinder, die Schweinsteiger sein wollen. Ich finde, da hat der Erziehungsberechtigte versagt, zumindest hat er versäumt, dem Kind zu sagen, dass Schweinsteiger keine gutes Vorbild ist. Schon allein wegen des Namens. Aber in der heutigen Erziehung wird eben alles dem Kind überlassen, selbst Entscheidungen, deren Tragweite es gar nicht abschätzen kann. Natürlich ist es dann überfordert und schlägt irgendwann wild um sich. Wird womöglich sogar Terrorist. Außerdem kann ich nicht bestätigen, dass sich Kinder in die Wolle kriegen, weil sie alle Schweinsteiger sein wollen. Nicht mal, wenn sie Neuer sind. „Ich bin Manuel Neuer“, ruft Justin auf dem Bolzplatz, der im Tor steht. Na gut, Manuel „Justin“ Neuer hat es nicht leicht im Leben. Er findet Bücher langweilig, hat einen Kurzhaarschnitt, ein Deutschlandtrikot, einen Ball und ein Handy im gleichen Muster, auf dem er abends angerufen wird, wenn er nach Hause kommen darf.
Fup sagt: „Ich bin Aubameyang, Reus, Piquet, Pogba, Kagawa und Griezmann“, und dann kriegt Manuel „Justin“ Neuer ein Tor nach dem anderen. Es scheint ihm aber nichts auszumachen. Er lacht. Der echte Manuel Neuer hätte sich schon längst umgebracht. „Und jetzt bin ich Frankreich“, ruft Fup und schießt. Klaus Bittermann
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