kabinenpredigt
: Arbeitslosenclub

Wieder sind knapp 6.000 Zuschauer an die Alte Försterei gepilgert, um ein Oberligaspiel ihres geliebten FC Union zu sehen. Die Fans der Eisernen aus Köpenick lassen sich auch von Viertligafußball nicht abschrecken. Die Begegnung gegen den SV Yesilyurt war so etwas wie ein Spitzenspiel – nicht weil es ein berauschendes Ballspektakel war, sondern weil sich zwei Nachbarn aus dem oberen Tabellendrittel gegenüberstanden.

3:1 hat Union gewonnen. Und nun träumt der FC, nachdem der bislang überlegene Tabellenführer MSV Neuruppin zum ersten Mal in dieser Saison verloren hat, wieder von direkten Wiederaufstieg in die Regionalliga. Die Stimmung war riesig an der Wuhlheide. Gestandene Männer lagen sich in den Armen. Nicht wenige von ihnen waren in ihren latzhosigen Arbeitsklamotten erschienen. Das liegt nicht unbedingt daran, dass sie am Freitagabend direkt nach der Schicht ins Stadion geeilt sind. Nein, auch samstags, wenn die meisten Bänder ruhen, kommen nicht wenige Unioner im Blaumann.

Es geht darum zu zeigen, dass ihr FC ein Arbeiterverein ist. Der Verein weiß, wie wichtig dieses Image ist. Unter der Woche hat er eine Solidaritätsadresse an die von der Entlassung bedrohten Arbeiter des Samsung-Bildröhrenwerks in Oberschöneweide gesandt. Der FC Union ist auf die Arbeiter angewiesen. Endlich einmal wollte man zeigen, dass der Verein gewillt ist, auch etwas zurückzugeben von dem, was die Anhänger ihrem Club seit Jahren zukommen lassen. Der notorisch schlecht geführte Verein wäre längst pleite, hätten die Fans ihn nicht mit ihren Spenden am Leben erhalten. Als kleines Dankeschön für einen Teil der Unterstützer durfte am Freitag umsonst ins Stadion, wer einen Samsung-Werksausweis vorzeigen konnte.

Eine nette Aktion, die aber auch veranschaulicht, wie sehr der FC Union hofft, dass in seinem Einzugsgebiet nicht noch mehr Menschen ihre Arbeitsstelle verlieren. Wer so auf die finanzielle Unterstützung seiner Fans angewiesen ist wie der Fußballclub aus Köpenick, kann nur als Arbeiterverein überleben. Als Arbeitslosenverein hätte er keine Chance. Und dass eine neue Bundesregierung beschließt, das Arbeitslosengeld II für alle ehemaligen Arbeiter, die ihre Anhängerschaft zum 1. FC Union Berlin nachweisen können, derart erhöhen wird, dass weiterhin munter in die Vereinskasse gespendet werden kann, wird man wohl kaum erwarten. Auch nicht bei einem Fußballverein, der davon lebt, dass die Fans an Wunder glauben, die es angeblich immer einmal wieder gibt.

ANDREAS RÜTTENAUER