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Archiv-Artikel

Fastfood für den Sieger

Faris Al-Sultan gewinnt als dritter Deutscher den Ironman-Triathlon auf Hawaii – der 27-jährige Münchner will jedoch weiterhin ohne Manager und teuren persönlichen Trainer auskommen

AUS KAILUA KONA SEBASTIAN MOLL

Nachdem sich Faris Al-Sultan durch die Horden der Schulterklopfer durchgekämpft hatte und nachdem er dem vierten Fernsehreporter versichert hatte, dass er selbstverständlich überwältigt sei, brauchte der 27 Jahre alte Münchner offenkundig erst einmal ein wenig Normalität. Keine Dreiviertelstunde nachdem er das bedeutsamste Rennen gewonnen hatte, das sein Sport kennt, saß der junge Ironman-Triathlet inkognito mit seinem Nachbarn aus München-Moosach, dem Wandinger Hermann, und dessen Sohn Toby an einem Ecktisch eines Fastfoodrestaurants und schaufelte alle Taco- und Burritosorten in sich hinein, die das Lokal zu bieten hatte.

Nicht eben die Art und Weise, wie man nach landläufiger Ansicht den unüberbietbaren Höhepunkt einer jungen Sportlerkarriere feiert, aber um Etiketten und Klischees schert sich der Sohn eines Exilirakis und einer Münchnerin ohnehin nicht. Wie das amerikanische Sportmagazin Outside kürzlich bemerkte, ist Al-Sultan sowohl ein Deutscher, der für die Irakinvasion war, als auch ein Muslim, der Bier trinkt. In Hawaii fiel Al-Sultan zudem durch seinen in der Szene ungewöhnlichen Zottelbart und seine zu einem Zopf gebundenen langen Haare auf. Und dann stopft er auch noch als Primus einer Trendsportart ungeniert Fastfood in sich hinein.

In erster Linie fiel Al-Sultan am Samstag auf der Vulkaninsel Big Island jedoch durch ein außergewöhnliches Rennen auf. Erst im vergangenen Jahr war er überraschend durch seinen dritten Platz in Hawaii in die Triathlon-Weltspitze vorgestoßen und doch startete er an diesem Samstag so selbstbewusst auf den 222-Kilometer Kurs, wie einer, der an seinem Status als einer Besten nicht den geringsten Zweifel hat.

Selbstbewusst ins Wasser

Vom Start des Schwimmens kurz nach Sonnenaufgang im Hafen des Urlauberörtchens Kona setzte sich Al-Sultan an die Spitze und gab diese acht Stunden und vierzehn Minuten lang nicht mehr her. Al-Sultan strahlte Siegesgewissheit aus – und das, obwohl ihn so etablierte Athleten wie der dreimalige Sieger auf Hawaii, der Kandier Peter Reid, oder der Schnellste des Vorjahrs, Normann Stadler, jagten.

In Faris Al-Sultans Gedanken ging es unterdessen nicht ganz so selbstsicher zu, wie das von außen scheinen mochte. „Ich weiß seit vergangenem Jahr schon, dass ich körperlich dazu in der Lage bin, einmal hier zu gewinnen“, sagte er zwischen zwei Bissen eines Hackfleisch-Maisfladens in breitestem Bairisch. „Ich habe aber nie daran gedacht, dass das in diesem Jahr passieren würde.“

Was er wusste, führt Al-Sultan aus, war, dass er aggressiv das Rennen in Angriff nehmen wollte. Das geschah jedoch mehr aus Furcht, als aus Überlegenheit. Er wollte es etwa wie viele Profis nicht dazu kommen lassen, dass Normann Stadler erneut auf dem Rad uneinholbare 20 Minuten Vorsprung herausfährt. So bestimmte Normann Stadler das Rennen, obwohl er nach rund 100 Kilometern und zwei Reifenpannen aussichtslos abgeschlagen aus dem Sattel steigen musste. Al-Sultan fuhr von dem Gedanken an den Mannheimer auf alle seine Gegner einen Vorsprung von mehr als fünf Minuten heraus.

Das wirkte überlegen, doch Al-Sultan blieb von der Furcht getrieben. Seine tollkühne Flucht hatten ihm noch auf dem Rad Beinkrämpfe verursacht, an den anstehenden Marathon bei einer Hitze, wie sie selbst der Hawaii-Ironman schon lange nicht mehr erlebt hatte, mochte er da schon gar nicht mehr denken. Als er die Radschuhe gegen die Laufschuhe eintauschte, war sich Al-Sultan sicher, dass ihn der Champion Peter Reid bald einholen würde.

Mit der Angst im Nacken

Doch Reid litt genauso wie Al-Sultan, der Abstand zwischen den beiden schwankte die gesamten 42,2 Kilometer lang nur um Sekunden. Dennoch wollte Al-Sultan erst an seinen Sieg glauben, als der Zielstrich schon in Sichtweite war. „Ich habe die ganze Zeit gedacht, Peter kommt noch von hinten.“ So wie im vergangenen Jahr, als Reid Al-Sultan noch kurz vor Schluss den zweiten Platz weggeschnappt hatte. Aber diesmal kam Reid nicht.

Darüber, was dieser Sieg für ihn denn nun bedeute, war sich Al-Sultan indes schon völlig im Klaren, als er noch auf dem Alii Drive von Kona dem Zielband entgegen joggte. „Ich habe als Sieger im nächsten Jahr automatisches Startrecht, und mir bleibt die leidige Qualifikation erspart“, sagte er nüchtern, während er noch in Wettkampfkleidung und einem hastig übergestreiften T-Shirt auf einer Plastikbank im Fastfoodrestaurant saß. Und das klang nicht nach Koketterie. Ebenso wenig, dass er überhaupt nicht daran denke, sich jetzt mit den Granden seines Sports auf eine Stufe zu stellen. Als der erste deutsche Hawaii-Sieger Thomas Hellriegel Al-Sultan im Massagezelt gratuliert hatte, verneigte sich Al-Sultan sogar und dankte ihm: „Thomas hat mich zu diesem Sport inspiriert, ohne sein Vorbild wäre ich nichts.“

Faris Al-Sultan wirkt durch und durch geerdet, und dazu passt es, dass der Student der arabischen Geschichte und Kultur nicht vorhat, nun etwas an seinen Lebensumständen zu ändern – er bleibt weiter bei seinen Eltern in München-Moosach wohnen, er wird keinen Manager engagieren, und er wird sich auch jetzt keinen teuren Trainer nehmen, sondern sich weiter von seinen alten Kameraden beim Münchner Lauftreff und im Münchner Schwimmverein beraten lassen. Dass sich derartige Bodenständigkeit nur schwer wird durchhalten lassen, schwant ihm allerdings schon: „Ich hatte mich so darauf gefreut, nächste Woche in München mit Freunden auszugehen und Bier zu trinken. Das wird jetzt wohl nichts.“