Lokale Betäubung

SPAREN Der umstrittene Verleger Ippen will die Lokalredaktionen von „Münchner Merkur“ und „tz“ fusionieren

Große Auswahl in München – noch? Foto: Benno Grieshaber/Visum

von Dominik Baur

Die Bezeichnung Sonntagsrede war wohl selten so zutreffend wie in diesem Fall: Es war ein Sonntag im März, als Dirk Ippen eine der sogenannten Kanzelreden in der Münchner Erlöserkirche hielt. „Wo sind eigentlich noch die Unterschiede“, fragte der Verleger. Die heutige Presselandschaft sei viel zu gleichförmig. „Was aber nützt uns die ganze schöne Pressevielfalt, wenn letzten Endes alle von Flensburg bis Garmisch über dasselbe schreiben und auch dieselben Themen auslassen?“

Jetzt macht sich Ippen selbst daran, die Vielfalt zumindest der Münchner Presselandschaft ein wenig einfältiger zu machen: Letzte Woche ließ Ippens Geschäftsführer Daniel Schöningh verlauten, dass die beiden Zeitungen des Hauses, der Münchner Merkur und die tz, ihre Lokalredaktionen zusammenlegen müssten. Konkret heißt das: Im Herbst sollen die Lokalredakteure des Merkur ihre Sachen packen und zu den Kollegen des Boulevardblatts ziehen und gemeinsam mit ihnen künftig die Lokalteile beider Zeitungen bestücken.

Ein gewagtes Modell, schließlich haben die Blätter abgesehen von ihrer eher konservativen Ausrichtung wenig gemein. Der Münchner Merkur ist eine klassische Lokalzeitung, deren Leser sie zum Großteil im Abo beziehen. Die tz ist die stärkste Münchner Boulevardzeitung. Ihre Auflage ist etwa so hoch wie die der beiden Konkurrenten Abendzeitung und Bild München zusammen. In den Redak­tionen ist man sich einig: Der Plan kann nicht funktionieren.

„Das geht vollkommen in die Hose“, sagt etwa Martin Prem, Wirtschaftsredakteur beim Merkur und Betriebsratsmitglied. Zu unterschiedlich seien die beiden Zielgruppen. „Der Münchner Merkur ist die Zeitung für den Lehrer, der seine Schüler vor der tz warnt“, erklärt er – und meint es durchaus liebevoll, Prem hat selbst lange bei der tz gearbeitet. Jetzt spricht er von „reiner Kommandowirtschaft“ im Verlag. „Das wirkt ein bisschen wie DDR-Management.“ Und die Befürchtung vieler in den Redaktionen ist, dass dies nur der Anfang einer groß angelegten, aber klein gedachten Einsparkampagne ist.

Ippen seinerseits spricht von „Synergieeffekten“, auf die der Verlag setze. Dabei sollten aber die „markenspezifischen Eigenheiten“ der beiden Zeitungen „voll erhalten bleiben“. Ja, man erhoffe sich sogar eine Verbesserung des journalistischen Angebots. Kündigungen seien nicht geplant. Andererseits sollen auch etliche derzeit vakante Stellen nicht wiederbesetzt werden.

Beim Merkur, so Prem, sei die Stimmung mittlerweile „katastrophal“, obwohl die Ankündigung für die wenigsten der Redakteure überraschend kam. Seit letztem Frühjahr war im Verlag bereits das Konzept „Publishing 2020“ erarbeitet worden – von den Redaktionen. Es beschäftigte sich mit der Frage, wie die beiden Redaktio­nen besser zusammenarbeiten könnten. Dabei sei es allerdings nicht um bloße Einsparungseffekte gegangen, sagt Prem. Wie kann man Grafiken gemeinsam nutzen, Termine gemeinsam organisieren, sich bei Großereignissen abstimmen – solche Fragen hätten im Mittelpunkt gestanden. Die Arbeit an dem Konzept sei dann aber in diesem Jahr vom Verleger gestoppt worden. Und seither ging die Befürchtung in der Belegschaft um: „Da kommt was ganz Fürchterliches nach.“

Was den Betriebsrat besonders stört: „Wir wurden weder rechtzeitig informiert noch konsultiert.“ Von den Plänen habe man eine halbe Stunde früher erfahren als die Öffentlichkeit. „Das ist der Umgang nach Gutsherrenart, wie wir ihn gewohnt sind.“ Nach Ansicht der Betriebsräte handelt es sich bei der geplanten Ressortvereinigung jedoch um eine Betriebsänderung, und bei der hätten sie entsprechend einbezogen werden müssen.

Schon in der vergangenen Woche hatten die Betriebsräte beider Zeitungen daher in einer Pressemitteilung von einem „klaren Rechtsbruch“ gesprochen und angekündigt, rechtliche Schritte zu prüfen. Dem Vernehmen nach streben die Mitarbeitervertreter wohl zunächst eine einstweilige Verfügung gegen Ippen an. Schlussendlich könnte die Angelegenheit dann vor dem Arbeitsgericht landen. Prem will sich zu möglichen juristischen Schritten noch nicht äußern, eine Entscheidung werde aber schon sehr bald fallen, vielleicht noch in dieser Woche. Denn der Zeitdruck ist groß. „Am schlimmsten wäre es, wenn Ippen bis dahin schon mit Einzelverträgen Fakten geschaffen hätte.“