: Castor-Gegner im Recht
Nicht jede Ordnungswidrigkeit, die im Umfeld eines Atom-Transports begangen wird, darf zu einer längeren Ingewahrsamnahme durch die Polizei führen, urteilte jetzt das Landgericht Lüneburg
von Reimar Paul
Kurz vor dem nächsten Castor-Transport ins niedersächsische Gorleben haben Atomkraftgegner Erfolge bei der juristischen Nachbereitung vergangener Polizeieinsätze im Wendland erzielt. So urteilte jetzt das Lüneburger Landgericht, dass der Bau von Barrikaden auf Waldwegen in der Nähe der Castor-Bahnstrecke nicht in jedem Fall zu einer länger andauernden Ingewahrsamnahme durch die Polizei führen darf. Die Richter gaben drei Atomgegnern Recht, die am Morgen des 8. November 2004 von der Polizei beim Bau einer Barrikade aus Baumstämmen aufgegriffen wurden und erst nach fast 24 Stunden freikamen.
Mit dem Versperren des Weges hätten die Atomkraftgegner zwar gegen das Landeswaldgesetz verstoßen und damit eine Ordnungswidrigkeit begangen, entschied das Gericht. Es könne aber nicht jede Ordnungswidrigkeit in der Nähe der Castorstrecke „einen unabweisbaren Handlungsbedarf durch Ingewahrsamnahme für die Polizei begründen.“ Auch dann nicht, „wenn die Ordnungswidrigkeit in offensichtlichem Zusammenhang zu den Castor-Transporten steht.“ Ingewahrsamnahmen dürften nur erfolgen, wenn eine Straftat oder aber eine Ordnungswidrigkeit mit erheblichen Gefahren für die Allgemeinheit drohten.
In einem anderen Fall erklärte dasselbe Gericht die Dauer einer Gewahrsamnahme für nicht rechtens. Am 11. November 2003 hatten Aktivisten der Initiative „x-tausendmal quer“ bei Rohstorf die Castorgleise besetzt. Sie wurden teils ruppig von den Schienen geräumt und in verschiedene Gefangenensammelstellen verfrachtet, wo einige bis zum nächsten Morgen ausharren mussten.
Nach Angaben von „x-tausenmal quer“ erhalten rund ein Dutzend der damals Betroffenen in diesen Tagen Post vom Landgericht. Darin werde die Ingewahrsamnahme zwar grundsätzlich für rechtens, nach dem Zeitpunkt der Durchfahrt des Atomzuges jedoch für rechtswidrig erklärt. Der Zug hatte seinerzeit bereits zehn Minuten nach der Räumung Rohstorf passiert.
Bereits vor mehreren Wochen hatte das Lüneburger Verwaltungsgericht die Einkesselung des Dorfes Laase im November 2003 für unrechtmäßig erklärt. Der kleine Ort am Elbdeich, wenige Kilometer vom Gorlebener Zwischenlager entfernt, wurde damals eine ganze Nacht lang von hunderten Polizeiwagen gesperrt. Eine Lehrerin auf dem Nachhauseweg durfte genauso wenig passieren wie ein Bundeswehrsoldat, der am Morgen seinen Dienst antreten musste.
Ob die Urteile den im November bevorstehenden Polizeieinsatz beeinflussen werden, ist indes fraglich. Wegen des Brandes in einer Containerunterkunft der Polizei, der Ende September hunderte Schlafstätten zerstörte, sollen sogar rund 2.000 Beamte mehr als 2004 die Atommüllfuhre schützen. Die Bürgerinitiativen gehen zudem davon aus, dass entlang des Schlussabschnitts der Castor-Strecke erneut ein Versammlungsverbot verhängt werden soll. Mit Klagen gegen diese Einschränkung des Versammlungsrechts befassen sich seit Jahren die Gerichte.