LeserInnenbriefe
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Hinweis vermisst

betr.: „Coming-out der Bürgerforschung“ von Manfred Ronzheimer, taz vom 27. 5. 16

Der Bericht hat den Hinweis vermissen lassen, dass kein allgemeiner Konsens besteht, dass es sich bei Citizen Science um eine unwidersprochene, etablierte homogene soziale Struktur handelt, in der Bürger „aktiv am Forschungsprozess mitwirken wollen“. Zahlreiche im deutschsprachigen Raum an Citizen Science Mitwirkende sehen diese schmale Beteiligung an dem aktuellen Wissenschaftsbetrieb sehr kritisch. Sie sind unzufrieden damit, dass Wissenschaft und Forschung heute als Privileg der Professionellen gelten und dass die häufig näher an der Wirklichkeit orientierte wissenschaftliche Arbeit der engagierten „Bürger“ als zweitklassig und minderwertig abgewertet wird.

Vom Autor des von mir sehr geschätzten und kritischen Buches „Das unterschätzte Wissen der Laien“, Prof. Peter Finke, stammt der Satz: „Wer die Forscher sind, ist von vornherein definiert, natürlich die Berufswissenschaftler, die anderen sind ‚die Bürger‘. Sie dürfen Mücken totschlagen und einsenden; mehr bitte nicht. Die Wissenschaft machen dann andere.“

Wäre es nicht gut, auch solche kritischen Stimmen mit zu Wort kommen zu lassen, um zu zeigen, welch vitaler Prozess Citizen Science sein kann, und um nicht in vorkritische Zeiten zurückzufallen? CHRISTIAN LEUNER, Bielefeld

Hofberichterstattung

betr.: „Coming-out der Bürgerforschung“ von Manfred Ronzheimer, taz vom 27. 5. 16

Ich reibe mir die Augen: Ist dies noch die taz? Die einstmals kritische taz, in der Gabriele Goettle oder Maria Rossbauer mich dereinst zu Citizen Science interviewt haben, in der kritische Berichte von Manfred Ronzheimer (!) und anderen zur heutigen Wissenschaft erschienen sind? Jetzt lese ich Hofberichterstattung wie vielerorts sonst: „Coming-out der Bürgerforschung“.

Der Hofbesitzer heißt Johannes Vogel, Generaldirektor des Ber­li­ner Museums für Naturkunde, einer, der früher selbst mal ein Bürgerforscher war und sich gern mit den Mächtigen anlegte. Der aber nun, selber mächtig geworden und ständig auf der Suche nach großen Geldquellen, den früheren Gegnern eine internationale Schar von Kollegen präsentiert, aus der von seiner Zeremonienmeisterin Kathrin Vohland alle ernsthaften Kritiker mit vorauseilendem Gehorsam sorgfältig ausgelesen worden sind, damit sie das Ziel nicht gefährden: Berlin als Spitze eines neuen wissenschaftlichen Paradigmas zu etablieren. An dieser Konstellation ist so ziemlich alles falsch, was man falsch machen kann.

Statt einer ernsthaften internationalen wissenschaftlichen Konferenz wurden hier Festspiele veranstaltet, natürlich unter internationaler Beteiligung. Sie unterscheiden sich von jener durch die vorherige Ausblendung wirklicher Konflikte und Gegenmeinungen, die seit Kants Eintritt in seine kritische Phase zur Wissenschaft gehören wie der Kopf zum Denken. Ausgeblendet waren auch alle ernsthaften Kontroversen der heutigen Wissenschaft, sehr auffällig zum Beispiel in den Wirtschaftswissenschaften, wo es eine riesige Citizen-Science-Szene gibt.

Ich hoffe, dass das ein Ausrutscher war, denn ohne die kritischen Medien sieht die Zukunft düster aus.

PETER FINKE, Autor von „Citizen Science: Das unterschätzte Wissen der Laien“, Bielefeld

Dämliche Verknüpfung

betr.: „Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes. Vollverschleierung soll verboten werden“, taz vom 1. 6. 16

Terre des Femmes folgt also der AfD!? Und die taz findet Vollverschleierung immer noch klasse, oder wie? Ziemlich dämlich, die Verknüpfung, das müsste Euch doch auch auffallen.

Passt aber irgendwie zum Tortenwurffoto auf der Titelseite vom vergangenen Montag. ZACHOW und HORST ORTMANN, Husby

Freiheit des Individuums

betr.: „Vollverschleierung soll verboten werden“, taz vom 1. 6. 16

Weil Terre des Femmes sich für ein Verbot von Vollverschleierung einsetzt, wird in der taz der Menschen- und Frauenrechtsorganisation unterstellt, sie folge der AfD. Damit offenbart die taz erneut in der Frage von Frauenrechten einen unglaublichen Mangel an Differenzierungsvermögen: Wer gegen Vollverschleierung ist, folgt rechtsradikalen Rattenfängern?!

Seit gut einem halben Jahr wird in der taz immer wieder denjenigen, die sich dafür aussprechen, Errungenschaften einer bürgerlichen Gesellschaft für mehr Gleichberechtigung nicht den Vorstellungen patriarchaler Ethnien zu opfern, die Nähe zur politischen Rechten vorgeworfen. Der Emanzipationsanspruch der bürgerlichen Gesellschaft fordert aber die Freiheit des Individuums, nicht aber die Freiheit der Ethnien (vgl. Flugschrift Dritte Welt Saar v. Winter 2009/10, damals Beilage der taz)!

Wieso spricht man bei der taz eigentlich von Rassismus statt von Sexismus, wenn man sich dagegen ausspricht, dass ganze Gruppen bei uns offen ihre Vorstellungen von „sachgerechter Frauenhaltung“ verwirklichen können? Wozu haben wir eigentlich ein Grundgesetz, wenn innerhalb seines Geltungsbereichs solche religiös bemäntelten Vorstellungen höher bewertet werden?

Wann wird innerhalb der taz eigentlich das Kopftuchgebot für Mitarbeiterinnen eingeführt, damit niemandes religiöse Gefühle verletzt werden? THOMAS HEILOS, Bielefeld