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Sehnsuchtsort im Teufelsmoor

Malerei Die Künstlerkolonie Worpswede nahe Bremen zieht bis heute viele Besucher an

Ruhende Landleute, Schäferin mit Herde, Herbst im Moor – so die Titel einiger der 260 Kunstwerke, die das Landesmuseum Hannover derzeit in der Ausstellung „Mythos Heimat. Worpswede und die europäischen Künstlerkolonien“ zeigt. Viele Künstler zog es im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert aufs Dorf, um sich mit Gleichgesinnten der Landschaftsmalerei an besonders reizvollen Orten zu widmen. Die auf ihren Bildern zu findende heile Welt hatte mit der ländlichen Realität allerdings oft nur wenig gemein. „Sie wussten, dass sich solche idyllischen Motive beim städtischen Publikum besser verkaufen lassen als realistische Darstellungen“, urteilt der Ausstellungskurator Thomas Andratschke rückblickend.

Im einstigen Bauerndorf Worpswede, im Teufelsmoor in der Nähe von Bremen, ließen sich damals zahlreiche Maler dauerhaft nieder. 1894 hatten Fritz Overbeck, Otto Modersohn, Fritz Mackensen, Hans am Ende und Heinrich Vogeler als Abkehr von der Akademiemalerei die Künstlervereinigung Worpswede gegründet – damit schlossen sich erstmals Künstler offiziell in einer Kolonie zusammen, um sich als Gruppe bessere Ausstellungsmöglichkeiten zu schaffen. Ihr Erfolg zog viele Nachahmer nach Worpswede – bis heute.

„In Worpswede leben und arbeiten 140 Kunstschaffende. Maler – Bildhauer, Kunsthandwerker“, sagt Birgit Nachtwey von der Worpsweder Touristik- und Kulturmarketinggesellschaft. In die mehr als 9.000 Einwohner zählende Gemeinde mit den vielen Reetdachhäusern strömen im Jahr rund 300.000 Gäste, denen in vielen Museen und Galerien die in Worpswede entstandenen Werke der verschiedenen Künstlergeneratio­nen präsentiert werden. Die meisten Besucher kommen aber auch wegen der Natur und der Landschaft. „Worpswede war und ist ein Sehnsuchtsort. Seit 2013 ist das Interesse an Moorwanderungen oder Fahrten mit dem Torfkahn auf der Hamme wieder deutlich gestiegen“, sagt Nachtwey. Kunstfreunden werden Führungen wie „Rilke und Worpswede – Eine kurze folgenreiche Zeit“, „Malweiber – Als die Kunst männlich war“ oder „Drei Künstlerehen in Worpswede – Traum und Wirklichkeit“ angeboten. Im Museum am Modersohn-Haus und im Barkenhoff kann man sich an den einstigen Wohnstätten von Paula Modersohn-Becker und Heinrich Vogeler auf die Spur der beiden berühmten Maler begeben.

„Es gab und gibt in den Werken der Künstler eine Tendenz zu einem Heile-Welt-Mythos, und viele unserer jährlich 75.000 Museumsbesucher wollen genau das sehen. Doch schon in den Kinderzeichnungen von Modersohn-Becker findet man eine Gegentendenz, und bis heute versuchen Worpsweder Künstler die Idylle, die es schon früher nur zum Teil gab, zu konterkarieren. In unseren Ausstellungen zeigen wir bewusst auch solche zeitgenössischen Strömungen“, sagt Michael Jäger, Geschäftsführer des Worpsweder Museumsverbandes. Joachim Göres

Vom 8. bis zum 10. Juli öffnen in Worpswede rund 40 Künstler ihre Ateliers. Die Worpsweder Kunsthalle, der Barkenhoff, die Große Kunstschau und das Haus im Schluh präsentieren derweil vom 19. Juni bis zum 23. Oktober unter dem Oberthema „Die wilden Zwanziger – Worpswede expressiv“ diverse Sonderausstellungen (Infos unter: www.worpswede.de). Die Ausstellung „Mythos Heimat. Worpswede und die europäischen Künstlerkolonien“ ist dagegen noch bis zum 26. Juni im Landesmuseum Hannover zu sehen.

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