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Archiv-Artikel

Die Nervosität im Weißen Haus steigt

Karl Rove, der engste Berater und Architekt der politischen Erfolge des US-Präsidenten George W. Bush, steht weiter im Zentrum der Affäre um die Enttarnung einer CIA-Agentinführerin. Ob Rove angeklagt wird, steht noch nicht fest

AUS WASHINGTON ADRIENNE WOLTERSDORF

In der seit mehr als zwei Jahren schwelenden Affäre um die Enttarnung der US-Agentin Valerie Plame gibt es neue Konfusionen. Während US-Präsidentenberater Karl Rove am Freitag zum vierten Mal vor den Geschworenen der Untersuchungskammer aussagte, widmete die Tageszeitung New York Times ihrer in die Affäre verwickelten Reporterin Judith Miller am Sonntag zwei ganze Seiten.

Der Time-Magazin-Journalist Matthew Cooper hatte den Namen der CIA-Agentenführerin im Juli 2003 veröffentlicht. Später, nachdem die Regierung Druck auf ihn und andere Journalisten ausgeübt hatte, nannte Cooper den Berater und Chefstrategen des Präsidenten Karl Rove als Quelle. Von ihm habe er erfahren, dass die Frau des früheren US-Diplomaten Joseph Wilson für den Geheimdienst arbeite.

Wilson hatte sich in der New York Times kurz zuvor kritisch über Bushs Irakpolitik geäußert und betrachtet die Enttarnung seiner Frau schlichtweg als Racheakt. US-Präsident George W. Bush hatte im Juli angekündigt, dass er jeden seiner Mitarbeiter feuern werde, der bei der Enttarnung der Agentin Plame mitgewirkt habe. Die Enttarnung von Geheimdienstagenten ist in den USA strafbar.

Nach der vierstündigen Anhörung sagte Roves Anwalt Robert Luskin in Washington, Sonderermittler Patrick Fitzgerald habe erklärt, die Staatsanwaltschaft habe noch immer keine Entscheidung darüber getroffen, ob sie den Präsidentenberater anklagen werde. Beobachter werteten die Anhörung als letzte Chance für den Bush-Vertrauten, die Jury von seiner Unschuld zu überzeugen. Rove selbst lehnte eine Stellungnahme ab.

Mitarbeitende des Weißen Hauses schließen nicht aus, dass außer Rove auch der Stabschef des Vizepräsidenten Dick Cheney, Lewis „Scooter“ Libby, in die Enttarnungsaffäre verwickelt sein könnte. Auf den fällt seit mehreren Gesprächen mit der New-York-Times-Reporterin Judith Miller im Sommer 2003 ebenfalls der Schatten des Verdachts. Grund dafür sind die beiden Worte „Valery Flame“, die die Starreporterin – damals noch fälschlich – zu den Gesprächsaufzeichnungen mit Libby in ihr Notizbuch schrieb. Miller, die sich im Juni diesen Jahres entgegen dem Druck der Regierung zunächst geweigert hatte, ihren Informanten in dieser Angelegenheit namentlich zu nennen, saß daraufhin 85 Tage im Gefängnis – nur um es sich dann Ende September doch noch anders zu überlegen und Libby als Quelle zu offenbaren.

Wie Miller am Sonntag in ihrer Zeitung darlegte, habe sie den Geschworenen der Untersuchungskammer allerdings gesagt, dass sie nicht denke, dass sie den Namen der Agentin von Libby gehört habe. „Ich habe der Jury gesagt, dass ich glaube, die Information kam von einer anderen Quelle, an die ich mich nicht mehr erinnern kann.“

Millers Rolle in der Affäre sorgt nun in Washington und in ihrer eigenen Redaktion mehr für Verwirrung als für eine Klärung des Skandals. Umso mehr, als jetzt bekannt wurde, dass Miller, während sie im Gefängnis saß, ihre Anwälte beauftragt hatte, heimlich bei Libby nachzufragen, ob der Stabschef sie nicht von ihrer vereinbarten Schweigepflicht entbinden könne.

Das Weiße Haus zeigte sich unterdessen Sonderermittler Fitzgerald gegenüber bislang äußerst kooperativ. Kein Wort der Kritik über seine Arbeit war zu hören. Präsident Bush sagte während eines TV-Interviews auf NBC vergangenen Donnerstag, dass der Ermittler seine Arbeit sehr „gründlich“ mache. Ein Statement, das es den Republikanern nun unmöglich machen dürfte, Fitzgerald zu attackieren, sollte er mit konkreten Klagen gegen Regierungsoffizielle auftauchen. Insgesamt könnten, so wird vermutet, bis zu 12 Mitarbeitende in die Enttarnungs- und damit Diffamierungsaffäre eines entschiedenen Kritikers der US-Irak-Politik verwickelt sein.

Mit dieser bevorstehenden Entscheidung, einem Beliebtheitstief von nur noch 38 Prozent und einem alle Fraktionen ergreifenden Streit um die Ernennung der Bush-Vertrauten Harriet Miers zur Richterin am Obersten Gerichtshof, ist die Stimmung im Weißen Haus laut US-Medien mehr als schlecht. Die Aussicht auf ein Bush-Team ohne den Strippenzieher und Strategen Rove ließe, so die New York Times, manche fast „in Panik verfallen“. Sei doch Rove der Einzige, der die zerstrittenen und wegen der Miers-Ernennung befremdeten Republikaner bei der Stange halten könne.